Bielefeld

Die altbekannte Neue

Natalia Verzhbovska amtiert in Bielefeld. Foto: Margrit Schmidt

Bielefeld

Die altbekannte Neue

Am Sonntag wird Natalia Verzhbovska in ihr Amt als Gemeinderabbinerin eingeführt

von Heide Sobotka, Rocco Thiede  05.05.2022 15:27 Uhr


In der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld ist Natalia Verzhbovska keine Unbekannte. Seit einem Monat ist sie bei der liberalen Gemeinde als Rabbinerin angestellt. Am kommenden Sonntag wird sie, die 2015 genau hier in der Synagoge Beit Tikwa ordiniert wurde, in ihr Amt als Gemeinderabbinerin eingeführt.

Gemeindevorsitzende Irith Michelsohn kennt Natalia Verzhbovska schon seit vielen Jahren. Und sie ist dankbar, stammt die Rabbinerin doch aus der Ukraine. 39 Familien mit rund 120 Personen hat die Bielefelder Gemeinde gemeinsam mit der Stadt aufgenommen. »66 jüdische Menschen sind darunter«, erzählt Michelsohn, »halachisch jüdisch und patrilinear« – eine Aufgabe für die neue Rabbinerin. Auch ihre administrativen Erfahrungen als Geschäftsführerin des Landesverbandes progressiver jüdischer Gemeinden in Nordrhein-Westfalen kommen ihr da zugute.

Religionsunterricht Ihr Mann, Rabbiner Alexander Lyskovoy, wird Kindern und Erwachsenen russischsprachigen Religionsunterricht erteilen, um den Geflüchteten ein Gefühl von Heimat durch die Sprache zu vermitteln. Während Verzhbovska in Kiew geboren wurde, kommt ihr Mann aus St. Petersburg. Eine russisch-ukrainische Familie, ein Sohn gehört dazu, die sich gerade jetzt um ukrainische Geflüchtete kümmert.

Natalia Verzhbovska stammt aus einem säkularen Elternhaus von Ingenieuren. Die Synagoge und ihre Spiritualität hat sie erst spät gemeinsam mit einer Freundin entdeckt. Sie erinnert sich aber auch daran, wie ihre Großmutter am Freitagabend die Tür zu ihrem Zimmer schloss, damit die Kinder nicht sahen, dass sie dort die Schabbatkerzen zündete, erzählt Verzhbovska.

Natalia Verzhbovska nahm unter anderem am Programm »Paideia« in Stockholm teil.

Ihr Mann Alexander hatte die Ausbildung des Leo Baeck College in London absolviert. Natalia studierte nach einer langen Phase des Lernens, unter anderem als Teilnehmerin des Programms »Paideia« in Stockholm, am Abraham Geiger Kolleg in Potsdam. Für sie sei der Entschluss, Rabbinerin zu werden, eine Entscheidung, keine Berufung gewesen.

Und diese Entscheidung ist auch fast einem Zufall zu verdanken. Natalia Verzhbovska und Alexander Lyskovoy waren in Wien, um bei der Tagung der Europäischen Union für progressives Judentum Freunde zu treffen. Sie begegneten auch dem Rektor des Abraham Geiger Kollegs, Walter Homolka, der über das Studienprogramm zur Ausbildung von liberalen Rabbinern berichtete.

Musik Die ersten Schritte im Lernen hatte Natalia Verzhbovska gemeinsam mit ihrem Sohn in der Sonntagsschule bei der liberalen jüdischen Gemeinde in Kiew gemacht. Dort haben sie gemeinsam gebastelt, gesungen und die ersten Gebete gelernt. Sie paukte Hebräisch. Als ausgebildete Klavier- und Musikwissenschaftlerin engagierte sie sich bei der Organisation der Kulturprogramme und von Konzerten in ihrer Gemeinde. Die Liebe zur Musik spielte in der Familie eine große Rolle.

»Ob das wohl für mich das Richtige ist?«, dachte Natalia Verzhbovska über ein Studium am Abraham Geiger Kolleg nach. Lange hatte sie Für und Wider eines weiteren Studiums abgewogen. Sie war sehr stolz darauf, dass sie vom Hebrew Union College (HUC) in New York zur Teilnahme am rabbinischen Studienprogramm eingeladen worden war. Aber das musste sie ablehnen, denn das HUC war zu weit weg vom Wohnort ihrer Familie und viel zu teuer.

Das Programm in Berlin und Potsdam sah attraktiv aus und es war nur drei Stunden mit dem Flugzeug von Moskau entfernt.

Das Programm in Berlin und Potsdam sah sehr attraktiv aus, und es war nur drei Stunden mit dem Flugzeug von Moskau entfernt. Zudem bot das Kolleg seinen Studenten ein Stipendium an, ein wichtiger Faktor. Dennoch war da immer noch die Frage der deutschen Sprache. »Das ist kein Problem, das ist eine Herausforderung«, habe ihr Walter Homolka damals gesagt.

Natalia Verzhbovska hat die Herausforderung angenommen, so wie sie es jetzt tut, indem sie die rabbinische Leitung der Bielefelder Gemeinde übernimmt. Sie hat dort eine volle Stelle, betont Irith Michelsohn. Nur einmal im Monat amtiert Verzhbovska noch ausnahmsweise in der liberalen Gemeinde Unna, dort, wo sie wie auch in Köln und Oberhausen ihre Praktika gemacht hat. In Natalia Verzhbovska erhält die Bielefelder Gemeinde eine gestandene Rabbinerin, Mutter und Lehrerin. Was will sie mehr?

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025