Diskussion

Didaktische Konzepte

Diskutierten: Rüdiger Mahlo, Manfred Levy, Leo Khasin und Friederike Lorenz (UZS) Foto: Screenshot


Wie steht es um die schulische Vermittlung der Schoa? Am vergangenen Donnerstag lud die Claims Conference zu einem Online-Gespräch zu diesem Thema ein. Auch der Antisemitismus an Schulen war Gegenstand der von Rüdiger Mahlo, Repräsentant der Claims Conference in Deutschland, moderierten Diskussion.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) eröffnete die Veranstaltung mit einer Videobotschaft. »Wir wollen, dass die Erinnerung an die Schoa bewahrt bleibt und auch Gegenstand der Auseinandersetzung in Schule, Schulhof und Klassenzimmer bleibt«, sagte sie.

Manfred Levy beklagte falsche pädagogische und didaktische Konzepte an Schulen.

Manfred Levy, Leiter der Bildungsabteilung des Jüdischen Museums Frankfurt, wies darauf hin, dass die Aktivitäten zur Erinnerung in den Schulen äußerst differenziert und unterschiedlich seien. Es gebe sehr positive Beispiele, aber auch erschreckende Erkenntnisse. Über die von Schülern geäußerte Klage, die Schoa sei ein Dauerthema im Unterricht, sagte er, das habe nichts mit der Realität zu tun. »Es ist eine subjektive Abwehr gegen dieses Thema«, betonte Levy.

Schoa Die Berliner Wissenschaftlerin Friederike Lorenz sagte, dass vielen Lehrern eine eigene Verbindung zum Thema Schoa fehle. Das erschwere möglicherweise die Vermittlung. Die Schoa sei in seiner Schulzeit sehr abstrakt behandelt worden, berichtete der Filmregisseur Leo Khasin. Für die nachwachsende Generation werde das Thema noch mehr in die Ferne rücken, fürchtet er. Khasin sprach von einer Distanz, die er im Geschichtsunterricht erlebt habe. »Es gab die Nationalsozialisten, und es gab die Deutschen. Der Holocaust, das waren die Nationalsozialisten« – so sei die Schoa an seiner Berliner Schule vermittelt worden.

Levy beklagte falsche pädagogische und didaktische Konzepte an Schulen. So würden etwa Gedenkstättenfahrten nicht richtig vor- und nachbereitet. Er wies zudem auf ein Dilemma hin: In Zeitzeugengesprächen entstehe zwar viel Empathie, aber man lerne nichts über die Schoa. Andererseits reichten auch bloße Fakten nicht für deren Vermittlung aus. In einer Videobotschaft betonte die Schoa-Überlebende Aviva Goldschmidt den Wert von Zeitzeugengesprächen: »Die Tatsache, dass eine Schule einen Zeitzeugen einlädt, spricht für sich.« Sie zeige, dass die Lehrer sich engagierten.

Auch an gutbürgerlichen Gymnasien in Dahlem und Zehlendorf sind latent antisemistische Sprüche gefallen.

Leo Khasin beklagte, auch an gutbürgerlichen Berliner Gymnasien in Dahlem und Zehlendorf müssten sich jüdische Schüler immer wieder latent antisemitische Sprüche gefallen lassen. Es heiße dann immer, es sei nur ein Witz. Ein gewisser latenter Antisemitismus sei in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet, ohne dass dies zugegeben würde.

Beschimpfungen Der seit einigen Jahren auf deutschen Schulhöfen verbreitete Gebrauch des Begriffs »Jude« als Schimpfwort kam ebenfalls zur Sprache. »Das berührt mich emotional sehr«, sagte Aviva Goldschmidt. Auch ihre Enkelkinder hätten eine solche Beschimpfung schon erlebt, sie reagierten darauf aber souverän. »Das ist die Antwort für junge jüdische Menschen, dass sie selbstbewusst mit ihrem Judentum umgehen«, sagte Goldschmidt.

Khasin betonte, »Jude« als Schimpfwort komme nicht unbedingt aus der deutschen Gesellschaft, sondern aus dem muslimischen Raum, von Jugendlichen, die das hineingetragen hätten. »Jugendliche jeder Schicht, jeder Couleur greifen es auf. Es wird einfach dahergesagt. Sie wissen überhaupt nicht, was sie damit sagen. Das hat mich schockiert«, erklärt Khasin weiter. »Das gehört inzwischen zur Jugendsprache«, konstatierte Levy. Seine Aufgabe sieht er darin, aufzuklären, »warum es Mist ist, so etwas zu sagen«.

Lesung

Ein zeitgenössisches Märchen

Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter stellte im Literaturhaus seinen neuen Roman »Stadt der Hunde« vor

von Luis Gruhler  16.06.2025

Urteil

Sicherungsverwahrung nach Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge

Der Mann hatte die Tat eingeräumt und von »Stimmen« berichtet, die ihn zu dem Brandanschlag aufgefordert hatten

von Jörg Nielsen  16.06.2025

Thüringen

Gebete im »Salon Goethe«

Rund 130 Menschen kamen zum Schabbaton der Jüdischen Gemeinde Chabad Berlin nach Weimar

 16.06.2025

Berlin

Unter die Haut

Der Künstler Gabriel Wolff malt, formt und tätowiert »jüdische Identität

von Alicia Rust  15.06.2025

Porträt der Woche

Zwischen den Welten

Ruth Peiser aus Berlin war Goldschmiedin, arbeitete bei einer Airline und jobbt nun in einer Boutique

von Gerhard Haase-Hindenberg  15.06.2025

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025