Katholikentag

»Dialog und Toleranz«

Herr Fehr, an diesem Mittwoch beginnt in Münster der Katholikentag. Welche Bedeutung hat die Veranstaltung für die Jüdische Gemeinde?
Der Katholikentag ist ein großes Fest, das in guter, in entspannter Atmosphäre Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen ermöglicht, für Prinzipien steht wie Respekt vor Menschen mit anderen religiösen und weltanschaulichen Ansichten – und ebenso für Dialog und Toleranz. Das unterstütze ich!

Welche Hoffnung und Erwartungen verbinden Sie mit der Großveranstaltung?
Eine Erwartung, die ich als Jude mit dem Katholikentag in Münster verbinde, ist das offene, das ehrliche Gespräch miteinander. Frei von Vorurteilen. Die wichtigste Voraussetzung dafür scheint mir eine Haltung, die von Respekt und Interesse am anderen geprägt ist. Das ist unabdingbar, um den anderen nicht als Problemfall oder als Bedrohung zu empfinden. Ich würde mir auch wünschen, dass der Katholikentag das diesjährige Thema der »Woche der Brüderlichkeit« der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit aufgreift: Ängste überwinden – Brücken bauen. Brücken zwischen den vielen Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen. Ich freue mich, dass Juden und Christen heute insgesamt freundschaftliche und partnerschaftliche Beziehungen pflegen.

Nimmt die Jüdische Gemeinde in Münster selbst aktiv teil?

Ja, wir bieten Führungen, Besichtigungen und Gespräche in unserer Synagoge an. Außerdem gibt es Führungen auf unserem altehrwürdigen jüdischen Friedhof in Münster, um über Tod und Sterben und Brauchtum der jüdischen Beerdigung zu informieren. Ferner findet am Donnerstagabend ein Empfang mit Kardinal Reinhard Marx und dem Bischof Felix Genn in unserer Gemeinde statt, worauf wir alle uns sehr freuen.

Im Vorfeld wurde viel diskutiert über die Teilnahme von AfD-Politikern am Katholikentag. Wie stehen Sie dazu?

Dazu möchte ich mich nicht äußern. Nur so viel zur AfD: Der Zustrom von geflüchteten Menschen, die vor Krieg, Not und Verfolgung nach Deutschland, in unser Land gekommen sind, hat bei vielen Menschen – zum Glück nicht bei den meisten – Angst ausgelöst. Das Gefühl von Verunsicherung, Angst und Ohnmacht überschattet die die gesellschaftspolitische Atmosphäre. Dies zur Freude und zum Nutzen der einzigen rechtspopulistischen Partei, die nun im Deutschen Bundestag sitzt. Mit ihrer Hetze gegen Muslime im Allgemeinen und gegen Flüchtlinge im Besonderen und mit ihren antisemitischen rassistischen Ausfällen hat sie einen viel zu großen Teil der deutschen Bevölkerung für sich gewinnen können.

Das Motto des Katholikentags lautet: »Suche Frieden«. Was ist nötig, damit ein tolerantes Miteinander zwischen den Religionen gelingen kann?
Das Motto erinnert mich an unsere Psalmen, hier an Psalm 34, wo es sinngemäß heißt: »Meide das Böse, tue das Gute, suche Frieden und jage ihm nach« und endet mit dem Satz »Bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor betrügerischer Rede«. Wer möchte nicht in Frieden leben? Voraussetzung hierfür sind Respekt und Toleranz gegenüber dem jeweils Andersgläubigen. Sich gegenseitig informieren. Begegnung schaffen. Abstand nehmen davon, die eigene Religion als die einzig wahre, als die allein seligmachende darzustellen. Oft besuchen Gruppen, Schulen, Vereine unsere Synagoge. Eines möchte ich dazu noch anmerken: Der Talmud geht auf ein Gebet ein, in dem der jüdische Betende drei Schritte zurücktreten muss, ehe er seine Mitmenschen mit »Shalom Alechem« – »Friede über euch« – begrüßt und das Gebet dann beendet. Damit erteilt uns der Talmud eine Lehre: Wenn jemand Frieden stiften will unter den Menschen, so muss er zurücktreten können und nicht auf seiner »Kawod«, seiner Ehre, bestehen. Person und Ansehen des Friedensstifters sind in diesem Augenblick von sekundärer Bedeutung – er muss in den Hintergrund treten. Das Motto kann auch als Aufforderung verstanden werden, sich politisch und gesellschaftlich für den Frieden einzusetzen. Sich für den Frieden einzusetzen, das sollte für jeden von uns on oberster Tagesordnung stehen, im politischen Bereich ebenso wie im privaten zu Hause, in der Schule oder am Arbeitsplatz. »Suche Frieden« kann ebenso auch als persönliche Leitmaxime für jeden Einzelnen von uns dienen.

Die Fragen an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Münster stellte Ayala Goldmann.

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Interview

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Was beschäftigt Misrachim in Deutschland? Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025