Schalom Aleikum

Der beste Weg: Begegnung

Dass antisemitische Ressentiments und Stereotype in deutschen Klassenzimmern weit verbreitet sind, ist seit Jahren bekannt: Doch was kann konkret in den Schulen dagegen unternommen werden, und welche pädagogischen Ansätze sind sinnvoll, um die Jugendlichen im Sinne der Präventionsarbeit zu erreichen?

Darum geht es in dem neuen und vierten Band der »Schalom Aleikum«-Schriftenreihe. Das aktuell im Verlag Hentrich & Hentrich erschienene Buch mit dem Titel Goodbye Hate! wurde in der vergangenen Woche auf der zweitägigen Online-Jahreskonferenz des jüdisch-muslimischen Dialogprojekts »Schalom Aleikum« vorgestellt. Das Dialogformat war 2019 vom Zentralrat der Juden ins Leben gerufen worden.

In Goodbye Hate! kommen zehn jüdische und muslimische Autoren zu Wort, die sich in der Schule und im außerschulischen Bildungsbereich in der Antisemitismusprävention engagieren. Dabei geht es weniger um Expertenmeinungen als um persönliche Erfahrungen mit jüdisch-muslimischen Dialogformaten und die individuellen Motivationen, die hinter der Arbeit der jeweiligen Akteure stehen.

Autoren Zur Buchpräsentation auf der »Schalom Aleikum«-Jahreskonferenz vergangene Woche in Berlin waren vier Autoren des Bandes zu einer Podiumsdiskussion geladen. Am Gespräch nahmen Jana Rosenfeld, Bildungsreferentin am Berliner Anne Frank Zentrum, Dua Zeitun, Projektleiterin für interreligiösen Dialog an einem katholischen Bildungswerk bei Osnabrück, Yonatan Weizman, Projektleiter bei »Shalom Rollberg« in Berlin-Neukölln, und Mansur Seddiqzai, Gymnasiallehrer im Ruhrgebiet, teil. Moderiert wurde die Runde von Christian Staffa, dem Antisemitismusbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit mehreren Grußworten.

So lobte Stephan Vopel, Direktor der Bertelsmann-Stiftung, das Dialogprojekt »Schalom Aleikum« als »eindrucksvollen Weg der Verständigung und Antisemitismusprävention«. Der soeben erschienene vierte Band der Buchreihe zu dem Projekt sei wichtig, da er sich dem Thema Schule widme, wo es ganz besonders zentral sei, Radikalisierungstendenzen entgegenzuwirken.

»Antisemitismus, aber auch Muslimfeindlichkeit bedrohen unsere freiheitlich-demokratische Ordnung in elementarer Weise«, sagte Vopel. Deswegen müsse der Kampf gegen diese Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auch von der gesamten Gesellschaft geführt werden.

Miteinander Mark Dainow, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, betonte, dass kein Dialogprojekt für sich allein genommen es leisten könne, den Antisemitismus aus der Welt zu schaffen. »Aber an dem Projekt Schalom Aleikum sehen wir, dass es gelingt, die Welt ein Stück besser zu machen, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander ins Gespräch kommen«, sagte Dainow.

»Das Motto des Bandes ›Goodbye Hate!‹ ist aktueller denn je und ein Gebot der Stunde.«

Annette Widmann-Mauz

Das Buch Goodbye Hate! möchte Dainow Pädagogen und allen anderen an der Schule Beteiligten zur Lektüre ans Herz legen. »Es ist ein besonderer Band, der die speziellen Erfahrungen jüdischer und muslimischer Bildungsakteure versammelt.« Präventionsarbeit gegen Antisemitismus im Bildungsbereich durch Dialog, so Dainow, könne gelingen – das sei eines der entscheidenden Resümees aus dem Projekt »Schalom Aleikum«.

Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Förderin des Dialogprojektes, freute sich über die neueste Publikation. »Das Motto des Bandes Goodbye Hate! ist aktueller denn je und ein Gebot der Stunde«, sagte Widmann-Mauz. In den aktuellen Zeiten seien das Zusammenleben und das friedliche Miteinander herausgefordert.

»Auf jeder Seite des Buches geht es um das gegenseitige Verstehen und Aufeinander-Zugehen«, sagte die Staatsministerin. »Das macht Mut, auch in diesen herausfordernden Zeiten, und zeigt, wie wir das Band der Einheit in einem vielfältigen Land gemeinsam stärken können.« Widmann-Mauz dankte dem Zentralrat für seine Initiative. »Von Herzen gerne« unterstütze sie das Projekt »Schalom Aleikum«.

normalität Wie interkultureller Austausch in der Praxis aussehen kann, zeigte die Diskussionsrunde mit den vier Buchautoren. Sozialarbeiterin Zeitun sagte, dass der Dialog zwischen muslimischen und jüdischen Jugendlichen eine Herausforderung sei, da es auf beiden Seiten »Hemmungen« gebe. »Jugendliche aus arabischen Ländern haben oft gewisse Vorurteile und Stereotype über Juden und Israel im Kopf.« Der Austausch und die Begegnung, ganz niedrigschwellig etwa beim Sport, baue ihrer Erfahrung nach diese Barrieren in den Köpfen quasi von allein ab. »Die Begegnung muss zur Normalität werden.«

»Shalom Rollberg« bringt Juden und Nichtjuden in Kontakt.

Auch der 1981 in Israel geborene Yonatan David Weizman bemüht sich seit 2018 mit seinem Projekt »Shalom Rollberg« in Berlin-Neukölln darum, den Kontakt zwischen Juden und Nichtjuden zu gestalten. »Es gibt keinen anderen Weg, Vorurteile abzubauen, als die Begegnung«, sagt Weizman. Und auch, wenn man im Alltag nur kleine Fortschritte mache – »wir machen Fortschritte«, sagt der Israeli, der mit dem Projekt in seinem Neuköllner Kiez gemeinsam mit weiteren jüdischen Freiwilligen Bildungsangebote für muslimische Schüler macht.

Lehrer Seddiqzai stimmte ihm zu und betonte, dass Austausch am besten gelingt, wenn er auf Augenhöhe stattfindet. »Um die Jugendlichen zu erreichen, darf der Dialog kein alleiniger Austausch zwischen Gelehrten sein.« Bildungsreferentin Rosenfeld plädierte dafür, auch mit Leuten zu reden, deren Ansichten man nicht teile. »Es ist in Ordnung, aus einem Gespräch nicht immer mit derselben Meinung herauszukommen.«

Auch am zweiten Tag der »Schalom Aleikum«-Jahreskonferenz am Donnerstag ging es um das Thema Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit im Bildungsbereich. Die Wissenschaftlerinnen Julia Bernstein und Astrid Messerschmidt sprachen über die beiden Phänomene und darüber, wie jüdisch-muslimische Allianzen zur Präventionsarbeit beitragen können.

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