Bayern

Denkmal für einen Judenhasser

Umstritten: Denkmal für Hans Pfitzner Foto: Marina Maisel

Bekommt die nach ihm benannte Straße einen anderen Namen, und wird eine eigens am Ufer des Ammersees angelegte Gedenkstätte für den Komponisten Hans Pfitzner (1869–1949) in Schondorf wieder entfernt?

Für Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, gibt es dazu keine Alternative: »Pfitzner war ein durch und durch überzeugter Judenhasser und blieb es selbst noch nach dem Holocaust.« Antisemiten seines Zuschnitts in einer Zeit mit Denkmälern zu ehren, in der jüdisches Leben nur unter Polizeischutz stattfinden könne, sei indiskutabel.

kulturpolitik Pfitzner war seit den frühen 1920er-Jahren, als er in München beruflich tätig war und hier sowie in Oberschondorf am Ammersee lebte, ein persönlicher Freund Hitlers. Er spielte in der Kulturpolitik der Nazis eine wichtige Rolle, trug den Ehrentitel »Reichskultursenator« und galt als Vorbild. Sogar in die sogenannte Gottbegnadeten-Liste wurde er aufgenommen.

Die Stadt Salzburg, wo Pfitzner ebenfalls beruflich unterwegs war, hat sein Leben jetzt genauer unter die Lupe genommen. Ergeben haben die Nachforschungen eine im Detail noch größere Nähe des Komponisten zu den Nationalsozialisten als bisher bekannt.

Im Kulturausschuss der Gemeinde Schondorf, der in seiner letzten Sitzung über den weiteren Umgang mit dem Straßennamen und dem Denkmal diskutierte, zitierte Alexander Behnke aus einer Schrift, die Pfitzner nach dem Krieg verfasst hatte. Selbst zu diesem Zeitpunkt bezeichnete der Komponist den millionenfachen Mord an den Juden als »Vertilgen einer bestimmten Insektensorte«.

entnazifizierung Im Entnazifizierungsverfahren nach dem Krieg wurde Hans Pfitzner zwar zunächst als Hauptbeschuldigter geführt, dann aber als »vom Gesetz nicht betroffen« freigesprochen. Zur erstaunlichen Milde der Spruchkammer verhalfen ihm auch zweifelhafte Ehrenerklärungen, darunter eine von Carl Zuckmayer.

Nach dem Krieg wurde Hans Pfitzner in einer ganzen Reihe von Städten und Gemeinden Namensgeber für Straßen, obwohl seine Nähe zu den Nazis und sein Judenhass bekannt waren. Hannover, Lübeck, Wiesbaden, Frankfurt und Düsseldorf haben inzwischen eine Umbenennung beschlossen. Erst im Juni hat beispielsweise Herzogenaurach den Namen Hans Pfitzner aus dem Straßenverzeichnis entfernt.

In Schondorf läuft die Diskussion darüber, wie mit dem im Jahre 1999 errichteten Denkmal für den Komponisten umgegangen werden soll. Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle hat sich mit einem Brief an die Gemeinde zu Wort gemeldet. »Auch wir würden es angesichts der zahlreich belegten, bis ins hohe Alter und auch noch nach dem Ende der Schoa getätigten antisemitischen Äußerungen Hans Pfitzners begrüßen«, schreibt er, »wenn die Gemeinde Schondorf die Widmung des Denkmals ebenso wie der Straße überdenkt.«

Porträt der Woche

Herzensheimat Israel

Dalit Hochberg kam als Kind nach Berlin und fand hier ihr zweites Zuhause

von Gerhard Haase-Hindenberg  28.05.2023

Berlin-Wilmersdorf

Das blaue Haus

Demnächst soll der Pears Jüdischer Campus eröffnet werden. Ein Rundgang mit Architekt Sergei Tchoban

von Christine Schmitt  28.05.2023

Statistik

Gemeinden in Zahlen

Die Neuzugänge haben sich verdoppelt – dennoch fehlt es an jüngeren Menschen

von Christine Schmitt  27.05.2023

Frankfurt am Main

Demos gegen Roger Waters vor Festhalle angekündigt

Das Motto des Protests am Konzerttag: »Frankfurt vereint gegen Antisemitismus«

 25.05.2023

Musik

Festakt im Historischen Rathaus

Mit einem Konzert wurden 75 Jahre Israel sowie 75 Jahre jüdisches DP-Orchester gefeiert

von Lukas Ruser  25.05.2023

Antisemitismus

München zeigt Flagge gegen Roger Waters

Vor der Olympiahalle gab es Proteste gegen das Konzert des Musikers

von Eva von Steinburg  25.05.2023

Nachruf

Seine Stimme ist verstummt

Oljean Ingster, langjähriger Kantor der Synagoge Rykestraße, ist mit 95 Jahren verstorben

von Christine Schmitt  25.05.2023

Interview

»Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft«

Ben Salomo über Antisemitismus, Drohmails, Hetzkampagnen und »Rap am Mittwoch«

von Gernot Wolfram  25.05.2023

Berlin

Ben Salomo ausgezeichnet

Der Musiker wurde für sein Engagement gegen Antisemitismus als Botschafter für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet

von Gernot Wolfram  24.05.2023