Buchvorstellung

Das vergessene Arbeitslager

Ernst Grube, Maximilian Strnad und Amelie Fried (v.l.) Foto: Jürgen Eisenbrand

Die »Flachsröste Lohhof« war eines der größten jüdischen Zwangsarbeitslager im Raum München. Dennoch, betonte IKG-Kulturzentrumsleiterin Ellen Presser, »war es bis vor Kurzem praktisch vergessen«. Der Münchner Historiker Maximilian Strnad hat die Geschichte des Lagers recherchiert und sein Buch darüber im IKG-Gemeindezentrum vorgestellt.

Er sprach mit dem Zeitzeugen Ernst Grube, dessen Mutter einst in Lohhof arbeiten musste. Moderiert wurde das Gespräch von der Autorin Amelie Fried. Neben ihr saßen Armand Presser und sechs Jugendliche, die abwechselnd Passagen aus Strnads Quellen vortrugen. Darunter die »Tagesberichte« Rolf Grabowers, die er vom 15. Juli 1941 bis zum 26. März 1942 als Leiter des »Jüdischen Arbeitskommandos Lohhof« verfasst hatte. Grabower, in der Weimarer Republik Ministerialrat im Reichsfinanzministerium, war laut Nazi-Terminologie ein sogenannter Dreiviertel-Jude.

Nürnberg Deshalb wurde er bereits 1934 entlassen und an den Reichsfinanzhof nach München versetzt. »Nach der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze wurde er Ende 1935 im Alter von 52 Jahre pensioniert«, schreibt Strnad.

Nach einigen Jahren als kulturinteressierter Privatier, in denen er auch wissenschaftlich arbeitete, wurde Grabower »mit 57 Jahren als einer der ersten jüdischen Zwangsarbeiter beim Bau des Barackenlagers in Milbertshofen eingesetzt«, erzählt Strnad. Dank der Intervention einflussreicher Freunde bekam er jedoch die Leitung des neuen Arbeitskommandos bei der Flachsröste Lohhof übertragen.

Um aus Flachs die begehrte Leinfaser für die Textilwirtschaft zu gewinnen wurde das Flachsstroh zunächst geröstet. Die überwiegend weiblichen Zwangsarbeiter mussten täglich bis zu zwölf Stunden schwere körperliche Arbeit verrichten. Überwacht wurden sie von Grabower. Ein Jude beaufsichtigt jüdische Zwangsarbeiter. »Grabower war ein deutscher Bürokrat, wie man ihn sich vorstellt.

Befürchtung Er hat zwar probiert, das Beste für die Menschen herauszuholen, aber er hat auch in vorauseilendem Gehorsam Bestrafungen ausgesprochen und Meldungen erstattet – immer in der Befürchtung, wenn er das nicht tue, würde das ganze Lager dafür büßen«, sagte Strnad.

Trotz dieser Haltung und trotz seiner Freunde aus Berliner Tagen konnte Grabower seine Deportation nach Theresienstadt, vor der er bereits zweimal bewahrt worden war, im Sommer 1942 nicht mehr verhindern.

Er überlebte die Lagerhaft, wurde 1945 als Beamter rehabilitiert und als Oberfinanzpräsident in Nürnberg eingesetzt. 1952 ging er in den Ruhestand – geehrt mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Am 7. März 1963 starb er in München. Das Zwangsarbeitslager Flachsröste Lohhof wurde im Herbst 1942, gut ein Jahr nach seiner Gründung, aufgelöst. Von 300 jüdischen Frauen überlebten etwa 30.

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025