70 Jahre GCJZ

»Das Gespräch ist notwendig«

Rabbiner Henry G. Brandt war von 1985 bis 2016 jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrats der GCJZ. Foto: Gregor Zielke

70 Jahre GCJZ

»Das Gespräch ist notwendig«

Rabbiner Henry G. Brandt über Themen, Konfliktlinien und Aufgaben des Deutschen Koordinierungsrats

von Eugen El  26.10.2019 20:19 Uhr

Herr Rabbiner, von 1985 bis 2016 waren Sie jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR). Wie haben sich im Laufe der Jahre die Aufgaben des DKR gewandelt?
Unsere deutsche Gesellschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert. Die Schwerpunkte haben sich verlagert. Im Mittelpunkt stand immer die Beziehung und die Zusammenarbeit zwischen Judentum und Christentum. In den 80er-Jahren war die Erinnerungsarbeit vorrangig. Langsam verschob sich das auf zukunftsgerichtete Zusammenarbeit. Engagement gegen Antisemitismus und Antiisraelismus sowie die Arbeit mit der Jugend rückten mehr in den Vordergrund.

Was hatte Sie damals dazu bewogen, diese Funktion zu übernehmen?
Ich war Anfang der 80er-Jahre nach Deutschland zurückgekommen und hatte das Landesrabbinat in Niedersachsen übernommen. Ich war bereits im christlich-jüdischen Gespräch in England und der Schweiz tätig. Nachdem damals gerade der lange amtierende Vorstand zurückgetreten war, fragte man mich, ob ich bereit wäre, als jüdischer Vorsitzender zu kandidieren. Ich habe mich zur Verfügung gestellt. Es wurden weit über 30 Jahre.

Was wurde in diesen Jahren in der christlich-jüdischen Zusammenarbeit erreicht?
In dieser Zeit haben sich die Beziehungen im Großen und Ganzen positiv entwickelt. Die Thematik Schoa war nicht mehr das absolut allein dominierende Thema, das es in den 80ern war. Die Themen, die wir diskutierten und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden, wurden breiter und gesellschaftlich allgemeiner. Später kam auch die Entwicklung hinzu, dass der Islam und die große Anzahl der muslimischen Zuwanderer die Themenstellung der Gesellschaft veränderten. Die Beziehungen zum Islam und Kenntnis über ihn rückten mehr in den Vordergrund. Das hatte einen Einfluss auf den Stellenwert des christlich-jüdischen Dialogs. Er war nicht mehr so im Fokus der Aufmerksamkeit.

Sollte der christlich-jüdische Dialog um den Islam erweitert werden?
Es gab immer Vorstöße, den Dialog zu erweitern. Das war auf lokaler Ebene oder in bescheidenem Maße der Fall. Der christlich-jüdische Dialog und der jüdisch-islamische Dialog befanden sich in ganz unterschiedlichen Stadien der Entwicklung. Aktivitäten, die man unternahm, waren beherrscht von Allgemeinplätzen. Die tiefgehenden Auseinandersetzungen, die wir mit unseren christlichen Partnern hatten, gab es mit dem Islam nicht.

Gab es in Ihrer Zeit beim DKR Konflikte?
Innerhalb unserer Arbeit gab es weitgehend Harmonie. Das war eine der großen Errungenschaften dieser Zeit: dass wir auch kontroverse Probleme diskutieren konnten, ohne dass es in Gegnerschaft oder Feindschaft umschwappte. Ein Zeichen für einen fortgeschrittenen Dialog.

Welche Funktion hat in Ihren Augen der christlich-jüdische Dialog?
Ich bin überzeugt, dass das Gespräch, die Konfrontation mit Unterschieden und Geschichte die beste Waffe gegen Antisemitismus und Vorurteile ist, besser als der erhobene Zeigefinger. Das ist unbedingt notwendig, um den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft zu fördern. Der Antisemitismus zeigt wieder seine Fratze. Umso notwendiger sind das Gespräch und die gemeinsame Arbeit, dagegen anzukämpfen. Ein Zusammenwirken der jüdischen Gemeinschaft und der christlichen Kirchen ist notwendig.

Bleiben Sie im christlich-jüdischen Dialog engagiert?
Ich bin 92. Es ist eher eine Gesundheits- und Altersfrage. Ich bin Jüdischer Ehrenvorsitzender des Koordinierungsrats. Wo ich kann, bin ich natürlich involviert. Aber es ist Zeit, dass Jüngere die Arbeit übernehmen.

Mit dem langjährigen jüdischen Präsidenten des DKR sprach Eugen El.

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025