Koscher

Aus für das »Schalom«

Die Regale sind ausgeräumt, das Telefon abgestellt und die letzten koscheren Lebensmittel eingepackt. Die Tür bleibt zu – für immer. Der koschere Laden »Schalom«, zuletzt in der Sybelstraße 10, ist Geschichte. 49 Jahre lang kauften Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, Israelis und viele, die sich für koschere Produkte interessierten, im Schalom ein. Doch in letzter Zeit seien immer weniger Kunden gekommen, sodass sie keine Alternative mehr hatte, als den Laden zu schließen, sagt Susanne Kalisch, die das Schalom bis Ende April führte.

Die Konkurrenz schläft nicht, und in den vergangenen Jahren sind allein in Berlin mehrere koschere Supermärkte eröffnet worden. »Der Kunde entscheidet durch sein Kaufverhalten, welches Geschäft überlebt«, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg.

Der Wettbewerb mache keinen Bogen um koschere Produkte. Die Entwicklung der koscheren Läden sehe er ein bisschen wie bei den Biomärkten. Da hole ein Geschäftsmann einmal tief Luft und eröffne einen großen Markt, und die kleineren Läden haben das Nachsehen.

supermärkte Mittlerweile gibt es in Berlin zwei koschere Supermärkte mit einer aus mehreren Hundert Quadratmetern bestehenden Ladenfläche, und einer davon ist nur wenige Straßen vom Schalom entfernt. Früher hätten beispielsweise bedürftige Gemeindemitglieder Gutscheine von der Gemeinde bekommen, die sie in ihrem Laden einlösen konnten. »Da war hier das Geschäft immer voll.« Später habe die Jüdische Gemeinde bei ihr für die Pessachpakete eingekauft, erinnert sich Kalisch, aber auch das sei schon lange her.

Und nicht nur das Schalom gehört nun der jüdischen Gemeindegeschichte an, auch das »Plätzl« in der Passauer Straße und das »Koscher Deli« in der Goethestraße gibt es nicht mehr. Es sei schwer, finanziell über die Runden zu kommen, sagt Susanne Kalisch, denn etlichen Juden ist das Leben nach der Kaschrut nicht so wichtig, und andere, die koscher leben, bringen sich Lebensmittel aus Israel mit, gehen in die koscheren Supermärkte oder bestellen online.

veranstaltungen »Natürlich haben wir bei Schalom eingekauft«, sagt Inge Robert. Schließlich sei es lange Zeit der einzige koschere Laden Berlins gewesen. Und alle waren glücklich, dass es ihn gab. Jeder sei persönlich angesprochen worden. Jeder habe jeden gekannt, und man habe sich auch viel unterhalten. Schließlich traf man sich nicht nur zwischen Kasse und gefüllten Regalen, sondern auch bei Veranstaltungen der Gemeinde.

»Ich mochte den Laden«, sagt Renée Brauner, die 1939 in Berlin geboren wurde und die Schoa in Frankreich überlebte. So ein Geschäft gebe es heute nicht mehr. Vor allem, weil Alexander Kalisch mit seiner Herzlichkeit einzigartig gewesen sei. Immer wenn sie dort einkaufte, besuchte sie ihn in seinem Büro und plauderte mit ihm. Dass es sie immer wieder in die Sybelstraße zog, lag auch an der Mazze, die viel dünner und anders gebacken war.

Die Berliner Gemeindeälteste Inge Marcus erinnert sich noch an Makronen, die sie für eine Barmizwa besorgt hatte. Sie sei öfters mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann da gewesen und habe Fisch und Wein eingekauft – und natürlich kannte man sich gut von den Gemeindefesten, erzählt die 94-Jährige.

Gespräche »Das Geschäft war eine Institution in Berlin«, sagt auch Lea Oelsner. Die 89-Jährige war regelmäßig zum Pessacheinkauf dort. »Man trat ein in den Laden, traf einen anderen Kunden und war schnell in ein Gespräch verwickelt«, sagt Lala Süsskind, ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Schnell einkaufen funktionierte da nicht. »Es war ein Treffpunkt des Gemeindelebens.« Die 69-Jährige betreute eine Zeit lang eine ältere ungarische Jüdin, die dort koscher einkaufen wollte, aber es sich nicht wirklich leisten konnte. »Da ging Susi immer mit dem Preis runter, was ich sehr menschlich fand.«

»Die Gemeinde verliert etwas«, ist sich Rabbiner Walter Rothschild sicher. Er persönlich werde das Schalom vermissen, obwohl er dort eher selten Kunde war. »Ich wohnte näher am Plätzl, weshalb ich dort einkaufte.« Gerade ist der Rabbiner aus England wiedergekommen und hat die Erfahrung gemacht, dass sich in einer Stadt fünf Mitglieder der jüdischen Gemeinde zusammengetan haben, um den gerade vor einer Insolvenz stehenden koscheren Laden zu erhalten. »Eine Gemeinde braucht so etwas.«

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