Augsburg

Auftrag von ganz oben

Baubeginn für die Restaurierung soll Mitte des Jahres sein. Zum Gesamtkonzept gehört auch ein Block für Sicherheitsmaßnahmen. Foto: imago/imagebroker

Es ist und bleibt ein Mammutprojekt, darüber sind sich Alexander Mazo, seit 2009 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Schwaben-Augsburg, und Viktoria Kämpf, Projektleiterin der Generalsanierung der Augsburger Synagoge, einig – »eines, wofür man sozusagen von ganz oben einen Auftrag spürt«.

Dass die Bundesmittel für die Sanierung und Restaurierung der Großen Synagoge Augsburg von sechs Millionen auf 13 Millionen Euro erhöht worden sind, sei – ganz nüchtern betrachtet – auch das Ergebnis eines recht routinemäßigen, systematischen Prozesses mit »unglaublich vielen Treffen und Kontakten«.

Chefsache Zu diesen gehören zum Beispiel auch Schwabens ehemaliger Regierungspräsident Karl Michael Scheufele sowie, seit 2018, dessen Nachfolger Erwin Lohner, die die Sanierung der Augsburger Synagoge zur »Chefsache« erklärt hatten. »Das hilft sehr, denn auf ein Wunder kann man nicht warten.«

Dazu gehören aber auch ganz klar der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und auch »all unsere Mitarbeiter hier in der Gemeinde, Frau Kämpf, unsere Projektleiterin wie Projektentwicklerin«, sagt Alexander Mazo.

TEMPEL Um die Mühen, die sicher noch nicht beendet sind, ein wenig nachvollziehbarer zu machen, sollte man zehn Jahre zurückgehen, noch besser: 103 Jahre. 1917 – mitten im Ersten Weltkrieg – bekam Augsburg eine neue Synagoge, einen Prachtbau, der sich außen an die Stadtfassadenumgebung anpasste und im Inneren Elemente des Jugendstils aufbot, byzantinische und orientalisierende Gestaltungsdetails, Stuckreliefs oder Schmuckinschriften.

Nach den Plänen von Fritz Lan­dauer und Heinrich Lömpel erbaut, fanden in diesem »neu-jüdischen Tempel« unter einer fast 30 Meter hohen Kuppel bis zu 700 Menschen Platz, und das alles zentral gelegen am Rande der Altstadt.

Pogramnacht In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen SA und SS in die Großsynagoge ein, ließen ihrer Zerstörungswut freien Lauf und setzten den Tempelraum in Brand. Dass das Gotteshaus stehen blieb, hatte damit zu tun, dass sich in unmittelbarer Nähe eine Tankstelle befand und die Gauleitung sich um die umliegenden Häuser der Nichtjuden sorgte. Sie ließ daher löschen.

In der Ruine hatten sich später die Menschen, die zur Deportation bestimmt waren, einzufinden, danach diente sie unter anderem dem Stadttheater als Lager, die Spitze der Kuppel wurde als Beobachtungsstand der Flugabwehrartillerie genutzt. So kam es, dass nach allen Angriffen und Missbräuchen das Augsburger Gotteshaus als einzige »überlebende« Großstadtsynagoge Bayerns gelten kann.

Bei den Vorarbeiten wurde die lange gesuchte Mikwe gefunden.

Von 1963 an nutzte die sehr überschaubare Augsburger jüdische Gemeinde die sogenannte Kleine Synagoge. An die Wiederherstellung des gesamten Baukomplexes machte man sich ab Mitte der 70er-Jahre, in Gang gebracht von dem langjährigen und prägenden IKG-Vorsitzenden Julius Spokojny.

Renovierung »1986 kann man von der letzten Renovierung sprechen, und bei allem muss man sagen, dass das Gebäude, dafür, dass es über 100 Jahre alt ist, eigentlich ganz gut dasteht«, meint Mazo. Den 100. Geburtstag hat man 2017 natürlich gebührend gefeiert, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte sich dazu eingefunden.

»Und wenn wir hier mit allem fertig sind, werden wir wieder feiern«, sagt Mazo. Wann das sein wird? Journalisten hatten von 2026 gesprochen. »Aber wer weiß das? Das ist von so vielem abhängig, Zeit, Geld, Firmen, Wetter ...« Geschlossen werde der Synagogenbetrieb als Sakralraum für die heute etwa 1400 Mitglieder zählende Gemeinde während der Baumaßnahmen nie. Dafür sorge ein »stufenweiser Entwicklungsplan«.

GELD In den vergangenen zehn Jahren waren viele Behördengänge nötig, denn es geht um Geld und die Belege dafür, wie viel davon nötig ist. Monika Grütters (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hatte sechs Millionen Euro versprochen, die Hälfte der veranschlagten zwölf Millionen, aber das lag bereits einige Jahre zurück. »Und deshalb ist es ein ganz zentraler Schritt gewesen, endlich einmal 2017/18 genaue Voruntersuchungen durchführen zu lassen«, sagt Viktoria Kämpf.

Fachpersonal rückte an, Elektriker, Restaurateure, Ingenieure. Sie stellten fest, dass Leitungen jeder Art ausgetauscht werden müssen, die Heizung marode, das Dach in keinem guten Zustand ist und viele große und kleine Res­taurierungsarbeiten nötig sein würden.

Sanierung Der Münchner Architekt Martin Spaenle wurde beauftragt, eine genaue Aufstellung zu machen. Mazo beschreibt Spaenle als »erfahrenen, fleißigen und tief denkenden Mann«, und das sei auch nötig, »denn das alles ist nicht einfach, da die Maßnahme ja nicht nur Restaurierung und Sanierung beinhaltet, sondern auch Verbesserung zum Beispiel für das Jüdische Museum«, das mehr Platz brauche. »Und dann waren wir also bei 27 Millionen«, sagt Kämpf, »und der Bund hat gesagt, okay, dann geben wir zu den sechs Millionen noch sieben Millionen dazu.« Was bedeutet, dass noch ein Restbetrag von 14 Millionen bleibt.

Die »ergänzenden Mittel« kommen vom Bayerischen Freistaat – »der Blitzbesuch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder Anfang Dezember war für uns auch Ausdruck von Interesse und Anteilnahme«, sagt Mazo – sowie von der Stadt Augsburg und der jüdischen Gemeinde.

»Es gibt eine Tabelle, in der genau steht, wer was leisten sollte.« Für die Gemeinde blieben da zehn Prozent. Lässt sich das stemmen? »Das ist unsere Hausaufgabe. Und wir gehen sie an. Ich stehe aber auch in engem Kontakt mit Zentralratspräsident Josef Schuster«, erklärt Mazo.

SICHERHEIT Baubeginn wird Mitte des Jahres sein. Zum Gesamtkonzept gehört auch ein Block für Sicherheitsmaßnahmen, »der ist dringend notwendig, wie wir gesehen haben«. Diese Maßnahmen werden vor den Baumaßnahmen angegangen, »da hilft das Land, das Innenministerium, das Polizeipräsidium, das Landeskriminalamt«, so der IKG-Vorsitzende.

»Es gibt eine Tabelle, in der genau steht, wer was leisten sollte.«

Und bei all den Mühen und Anstrengungen gibt es tatsächlich bereits jetzt einen Erfolg zu verbuchen. Vor etwa einem Jahr stieß man im Rahmen einer Voruntersuchung auf eine Mikwe. Danach hatte die Gemeinde lange gesucht. Diese Mikwe, die man »ausgraben und wiederbeleben« muss, ist jetzt wichtiger Teil des ganzen Sanierungsprojekts.

»Denn diese ganzen Restaurierungen und Sanierungen sind ja nicht nur Baumaßnahmen«, betont Mazo. »Sie geben uns ein Gefühl der Anerkennung von außen, sie sind aber auch der Wiederaufbau einer würdigen Glaubensgemeinschaft, und dazu gehört eine Mikwe.«

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