Berlin

Aufgabe für die Gesellschaft

Schirmherrin: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) Foto: dpa

Mehr als 350 Veranstaltungen stehen bundesweit auf dem Programm der am Donnerstag in Berlin eröffneten Aktionswochen gegen Antisemitismus. Geplant sind Theater- und Filmaufführungen, Zeitzeugengespräche und Lesungen, teilte die Amadeu Antonio Stiftung als Koordinatorin der Aktionswochen in Berlin mit. Es handele sich um die bundesweit größte Kampagne gegen Antisemitismus mit insgesamt mehr als 130 Kooperationspartnern.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) erklärte als Schirmherrin, die Bekämpfung von Antisemitismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber auch die Bundesregierung sieht die Ministerin in der Verantwortung: »Ich sehe es daher als eine wichtige Aufgabe der Politik, stabile Grundlagen zu schaffen, um dem Antisemitismus in der Gesellschaft wirkungsvoll zu begegnen.« Schwesig dankte ausdrücklich allen Initiativen, Projekten und Einzelpersonen, die sich in den Aktionswochen engagieren. Sie betonte: »Jede und jeder Einzelne ist aufgefordert, etwas zu tun. Antisemitismus darf in unserem Land keine Chance haben!«

mehrheit
Auch die Schauspielerin Iris Berben unterstützt die Aktionswochen in diesem Jahr und erinnerte an Angriffe auf Juden in diesem Sommer. »Es ist beschämend, dass antisemitische Äußerungen in Deutschland wieder auf die Straße getragen werden. Und doch leben wir in einem Land, in dem sich die Mehrheit der Menschen klar von Antisemitismus abgrenzt«, sagte Berben.

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, stellte anlässlich des Beginns der Aktionswochen gegen Antisemitismus fest: »Es ist noch nicht lange her, als eine neue Welle von Antisemitismus über das Land rollte.« Die teils offen antisemitischen Demonstrationen im Zuge des Gaza-Krieges, die Hetzjagden und Übergriffe auf Jüdinnen und Juden stellten eine lang überwundene Qualität des Judenhasses in Deutschland dar.

In diesem Zusammenhang stünden auch die aktuellen Vorfälle in Berlin und Köln. Laut Kahane werde sich auch im öffentlichen Raum zunehmend wieder antisemitischer Argumentationen bedient. Auf den sogenannten Montagsdemonstrationen zeige sich, dass antisemitische Welterklärungen auch gegeneinander agierende politische Spektren zusammenbrächten.

konjunkturprogramme Auch Sergey Lagodinsky, Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, betonte: »Das Ausmaß der aggressiven antisemitischen Stimmung hat die jüdische Gemeinschaft und alle demokratisch denkenden Menschen entsetzt.« Man dürfe sich nicht irgendwelcher »Konjunkturprogramme gegen Antisemitismus« bedienen, die nur dann funktionierten, wenn »besonders hässliche Vorfälle in den Medien stehen«.

Antisemitismus-Expertin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein verwies auf den Nahostkonflikt als Anlass für antisemitische Äußerungen: »Der Antisemitismus wird in Deutschland mehr noch als in unseren westeuropäischen Nachbarländern über den Umweg des Holocaust und über israelbezogenen Antisemitismus kommuniziert«, erklärte Küpper.

Seit 2003 organisiert die Amadeu Antonio Stiftung rund um den 9. November die bundesweiten Aktionswochen. Sie verbindet damit das Gedenken an die Novemberpogrome, die sich 2014 zum 76. Mal jähren, mit der Thematisierung von aktuellem Antisemitismus. epd/ja

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  30.10.2025

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025