Besuch

Auf gutem Weg

Sprachen über die Bekämpfung von Antisemitismus und Solidarität mit Israel: Eric Beißwenger und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch Foto: IKG München und Oberbayern/Andreas Gregor

Eine neue Welle von Antisemitismus und Israelhass hat sich zuletzt auf der ganzen Welt ausgebreitet. Eine Welle, die bereits unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 und lange vor jeder militärischen Reaktion des jüdischen Staates auch in München anti-israelische Demonstranten mit aggressiven Parolen auf die Straßen brachte. Nicht weniger schnell erfolgten indes auch Unterstützungsbekundungen aus der Politik.

Kurz nach dem präzedenzlosen Angriff der Hamas erneuerte Ministerpräsident Markus Söder vor den Anwesenden der Trauerkundgebung auf dem St.-Jakobs-Platz das Schutzversprechen des Staates für die jüdischen Gemeinden in Bayern. Im Dezember dann reiste er mit einer kleinen Delegation selbst nach Israel. Mit dabei: Ludwig Spaenle, der Antisemitismusbeauftragte der Staatsregierung, der von seinen verstörenden Eindrücken im Bayerischen Landtag und später auch in der jüdischen Gemeinde berichtete.

Auch Kultusministerin Anna Stolz, erst seit Mitte November 2023 im Amt, demonstrierte noch vor dem Jahreswechsel mit Besuchen sowohl bei den Jüdischen Kulturtagen als auch im Helene-Habermann-Gymnasium der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft. Und erst vor wenigen Wochen unterstrich Innenminister Joachim Herrmann in einer Rede zum »Tag der Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft und Israel« vor der Hauptsynagoge: »Unsere Solidarität kennt kein Ablaufdatum.«

Beißwenger ist seit November Bayerischer Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales.

Aus der Riege der Staatsregierung konnte Charlotte Knobloch im Juli zuletzt Staatsminister Eric Beißwenger zu seinem ersten Besuch im Gemeindezentrum begrüßen. Beißwenger ist seit November Bayerischer Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales und steht damit einer Behörde mit Dienstsitzen in München und Brüssel vor.

Das Treffen in der Gemeinde begrüßte die IKG-Präsidentin nun als »willkommene Gelegenheit, sich über die schwierige Lage Israels und der jüdischen Gemeinden in Europa auszutauschen«. Dass das Thema die Politik bewegt, ist offensichtlich: Erst vor wenigen Wochen hatte der Europa-Ausschuss im Bayerischen Landtag eine Expertenanhörung zum Thema abgehalten. Beißwengers Ministerium kommt in diesen Fragen der bayerischen Europapolitik eine entscheidende Rolle zu.

Europaweiter Trend zur Verhärtung der politischen Fronten

Beim Austausch im Gemeindezentrum betonte Beißwenger zunächst die überragende Bedeutung der Bekämpfung des Judenhasses und des Beistands für Israel aus Sicht der Staatsregierung, aber auch für ihn persönlich. Diese Ziele müssten heute in einem schwieriger werdenden gesellschaftlichen Umfeld erreicht werden, der europaweite Trend zur Verhärtung der politischen Fronten sei weiter besorgniserregend.

»Die einzelnen Länder in Europa stehen sich heute konfrontativer gegenüber – und der gleiche Prozess findet auch innerhalb der Länder statt«, erklärte Beißwenger. In Deutschland zeige sich das im fortschreitenden Radikalisierungsprozess der AfD. Der Blick auf Frankreich hingegen zeige, wie die Wahlen infolge der Auflösung der Nationalversammlung durch Präsident Emmanuel Macron den linken und rechten Rand gestärkt und die Mitte empfindlich geschwächt hätten.

Israel könne in vielen Punkten Vorbild für Europa sein, betonte der Minister.

Angesichts dieser Konfrontationslinien und im Kontext der geopolitischen Lage stehe Europa vor einer ausgesprochenen Identitätskrise. Beißwenger brachte dieses Problem auf eine griffige Formel: »Wir müssen uns in Europa fragen, wer wir eigentlich sind.« Was Sicherheitspolitik und auch die Bekämpfung des Antisemitismus angehe, stehe Bayern im europäischen Vergleich indes sehr solide da. Auch Charlotte Knobloch sah Bayern »insgesamt auf einem guten Weg, auch dank des beherzten Durchgreifens des bayerischen Staates«.

Im Hinblick auf die Beziehungen zu Israel wollte der Staatsminister nach eigener Aussage vor allem den wirtschaftlichen Austausch stärken. Das jüngste Treffen mit dem Bürgermeister von Beer Sheva, Ruvik Danilovich, den Beißwenger als »vor Aufbruch strotzend« beschrieb, habe ihn in diesem Entschluss bestärkt. Schon bei dieser Zusammenkunft im Juni mit der Delegation aus Münchens israelischer Partnerstadt hatte der Minister seinen Wunsch geäußert, die bayerisch-israelische Zusammenarbeit weiter auszubauen. Auch im Gespräch mit der IKG-Präsidentin zeigte Beißwenger seine Begeisterung über die »Hightech- und Innovationszentren« München und Beer Sheva und deren gemeinsames Potenzial.

Insgesamt könne Israel in vielen Punkten Vorbild für Europa sein: Nicht nur Wirtschaft und Sicherheitspolitik seien hierfür Beispiele, sondern auch das ausgeprägte Bewusstsein für die Notwendigkeit einer effektiven Landesverteidigung. Knob­loch, die Israel seit den frühen 50er-Jahren aus eigener Anschauung kennt und die vielen Transformationen des Landes mitverfolgen konnte, hob den ausgeprägten Pioniergeist der Israelis hervor, der die Entwicklung zum Hightech-Standort erst ermöglicht habe.

Im Anschluss an das Gespräch ließ der Staatsminister es sich nicht nehmen, auch der Hauptsynagoge einen Besuch abzustatten. Ellen Presser, Leiterin des IKG-Kulturzentrums, brachte dem Gast alle Highlights des Synagogenensembles näher – vom unterirdischen »Gang der Erinnerung« bis zum Toraschrein.

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025

Porträt der Woche

Ein Überlebenswerk

Nicolaus Blättermann fand nach der Schoa die Kraft zum Neubeginn

von Lorenz Hartwig  09.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Karoline Preisler  08.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025