Bekleidung

Auf der Suche nach dem Tallit

Tallitot in allen Ausführungen: Westend-Synagoge in Frankfurt Foto: Rafael Herlich

Bekleidung

Auf der Suche nach dem Tallit

In Deutschland sind nicht nur Gebetsschals schwer zu bekommen

von Rivka Kibel  23.07.2013 17:52 Uhr

Mein Vater trägt einen schwarzen Kaftan. Statt eines Gürtels baumeln an seiner Hüfte komische weiße Fäden herunter. Er hat einen langen Bart und auf dem Kopf ein schwarzes Käppchen.» Mit dieser Beschreibung eröffnete die Schriftstellerin Lena Gorelik ihren Debütroman Meine weißen Nächte – nur, um dies zugleich wieder als «Klischee» vom Aussehen eines religiösen Juden zu entkräften.

Ganz abwegig ist dieses Bild jedoch nicht. Zumal nicht in Städten wie Frankfurt am Main und Berlin, in denen orthodoxe Gruppierungen präsent sind, sondern in denen es auch Yeshivot gibt – deren Mitglieder sich noch traditionell kleiden. Schwarze Kleidung ist da – bei jedem Wetter – ein Muss, hinzu kommen Kippot, Hüte, Zizit und fürs Gebet auch Tallitot.

Mal eben schnell zusammenflicken kann man all dies nicht: Die Fäden der Zizit zu knüpfen, ist eine Kunst für sich – sie können beispielsweise nach Rashi, Arizal, Rambam und Avad gebunden werden. Traditionelle Tallitot bestehen aus Wolle – auf keinen Fall darf «Shatnez» enthalten sein, also eine Mixtur aus Schafs- oder Lamm-Wolle und Leinen. Sie lassen sich zwar selbst herstellen, aber kaum jemand beherrscht heute noch die Kunst des Zizitknüpfens. Tallitot sind meist groß genug, um damit den Kopf und einen großen Teil des Oberkörpers zu bedecken. Für gewöhnlich haben Talitts schwarze, blaue oder weiße Streifen, aber es gibt auch Modelle mit goldenen, braunen oder silberfarbenen Streifen.

Händler Die hohe Kunst der Tallit- oder Zizit-Fertigung scheint indes in Deutschland kaum jemand zu beherrschen. Wer im Internet nach Einkaufsquellen sucht, wird beispielsweise bei «World of Judaica», «Ben’s Tallit Shop», «Doronia», «Zazzle» oder «eBay» fündig.

Für Purim lassen sich Rabbiner-Kostüme zum Beispiel bei «Fun World» oder «Adult Costumes» finden. Dabei ist der Spaß gar nicht mal so preiswert. Für ein solches Fun-Kostüm muss man beispielsweise 39,99 Euro ohne oder 49,29 Euro mit Strejmel ausgeben.

Sehr viel einfacher ist die Beschaffung in den USA. Dort kann man «Rabbinical Robes» einfach online unter www.robe-experts.com bestellen. In manche Länder wird auch per telefonischer Order exportiert. Auch Strejmel gibt’s im weltweiten Netz zu finden. Wenn der Einkauf aber mal ganz schnell gehen muss, wird’s schwierig.

«In Deutschland fehlen entsprechende Geschäfte», bedauert Rabbinerin Elisa Klapheck. «Gerade in Frankfurt vermisse ich die Möglichkeit, mir einen Tallit oder eine Kippa kaufen zu können.» Und selbst der orthodoxe Kollege aus Offenbach, Rabbiner Mendel Gurewitz, findet nichts vor Ort und kauft auf Reisen etwa in Israel, USA (New York/Brooklyn) oder Frankreich ein. Rabbiner Shlomo Raskin bevorratet seinen Kleiderschrank in B’nei B’rak, Jerusalem oder Antwerpen.

Totenhemden Selbst für den letzten Weg kauft der Vorsteher der jüdischen Friedhöfe in Frankfurt und Vorsitzende der Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa, Majer Szanckower, in Israel ein. «Seit Jahren beziehe ich die Totenhemden beim selben Schneider», sagt Szanckower. Und damit er nicht in die Bredouille gerät und es mal keinen Kittel gibt, wenn er benötigt wird, hat er stets mindestens einen Jahresbedarf auf Vorrat.

Zumindest ihren ersten Tallit, weiß mit grünen Streifen, hat Klapheck aber bei einer Berlinerin gekauft, die mit Tallitot und anderen Judaica gehandelt hat. Ihre weitere «rabbinische Kollektion» an Kleidung hat sie im Laufe der Jahre erstanden. Das meiste hat Klapheck in den USA und in Israel, auf Jerusalems Ben-Jehuda-Straße, gekauft. Mittlerweile besitzt sie etwa ein Dutzend Tallitot, «passend für alle Gelegenheiten und Outfits».

Mode Derlei Modebewusstsein trotz aller Kaschrut ist auch den Frauen, die sich nach religiösen Maßgaben kleiden, nicht etwa fremd. «Tzniut» – Bescheidenheit – soll zwar das Outfit ausstrahlen, der Kopf soll ebenso bedeckt sein wie Knie und Ellbogen. Hier haben es die Frauen mal einfacher. Unschlagbares Plus dieser Kleiderfrage: Es sind weder Vorratshaltung noch Auslandsflüge notwendig – koschere Kleidung gibt’s in allen Kaufhäusern und die perfekten Tipps dazu beispielsweise in der Facebook-Gruppe «Kosher Style – Koschere Mode in Deutschland und Europa».

Da tauschen Frauen Tricks und Tipps aus. Etwa, wie man das Kopftuch schick bindet, welche Lippenstifte lange halten und damit für die Feiertage besonders geeignet sind, wo es gerade Angebote mit Kleidern in der richtigen Länge gibt, und wie man eine Bluse aufpeppen kann.

Israel Meller, Sekretär der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, ficht derlei nicht an. Für ihn ist die Frage nach dem passenden Outfit sekundär: «In der Orthodoxie zählen die inneren Werte und nicht Äußerlichkeiten. Die Kleidung, der Lewusch, sollen der Tanach, der Babylonische Talmud und der Schulchan Aruch sein.» Und das ist global lieferbar.

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025