Landtag

Antisemitismus bekämpfen

Ganz verschwunden war Antisemitismus nach dem Ende der Nazidiktatur nie. Aber Fahnen mit dem Davidstern, die mitten in Deutschland wieder brennen, markieren eine besorgniserregende Entwicklung. »Wer jetzt noch von Alarmzeichen spricht, verkennt die Lage. Es brennt bereits lichterloh«, betonte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, bei einem Termin im Bayerischen Landtag.

Alle dort vertretenen Fraktionen, mit Ausnahme der AfD, verabschiedeten in der vergangenen Woche gemeinsam die parteiübergreifende Resolution »Antisemitismus entschieden bekämpfen!«. Unmittelbarer Anlass für dieses politische Zeichen waren der gemeinsamen Erklärung zufolge »die deutliche Zunahme antisemitischer Vorfälle im Zuge des Nahostkonflikts und das Wissen um die historische Verantwortung«. Initiiert wurde die Resolution, der sich CSU, Grüne, SPD und FDP anschlossen, von den Freien Wählern.

Ziel der gemeinsamen Resolution ist es, Antisemitismus und dessen Ursachen entschieden und mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen.

Ziel der gemeinsamen Resolution ist es, Antisemitismus und dessen Ursachen entschieden und mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Damit solle, wie es in der Erklärung heißt, aktives jüdischen Leben in Bayern auch in Zukunft ermöglicht werden.

aufschrei Dieser »demokratische Aufschrei«, wie die IKG-Präsidentin die Resolution bezeichnete, könne angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen gar nicht dringlicher sein. Sie sprach von »großer Angst und Unsicherheit« innerhalb der jüdischen Gemeinschaft und einem bereits bestehenden Verlust des Grundvertrauens gegenüber der Gesellschaft. Als Jude sichtbar in den sozialen Medien aktiv zu sein, so Knobloch, reiche als Initialzündung für Hasstiraden bereits aus.

Auf die »zunehmenden Angriffe und Drohungen« wies bei der Vorstellung der Resolution Katharina Schulze hin, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. »Antisemitische Straf- und Gewalttaten sind allein in den letzten beiden Jahren in Bayern um über 60 Prozent gestiegen«, sagte sie mit Blick auf die Zahlen des Landesamtes für Verfassungsschutz.

»Ein vielfältiges jüdisches Leben zu bewahren, zu beschützen und gegen jede Form des Hasses zu verteidigen«, sieht Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, als Auftrag und Verpflichtung an. »Zur Verantwortung des Freistaats Bayern zählt auch, für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen und ihnen ein Leben nach unseren Grundrechten und ohne Angst vor Hass und Gewalt zu ermöglichen«, stellte er fest.

parallelgesellschaften Konsequentes staatliches Vorgehen gegen alle Formen von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus ist den Worten von Thomas Kreuzer zufolge unerlässlich. In Bayern und ganz Deutschland dürfe kein Platz für radikale Parallelgesellschaften sein, in denen Hass, Intoleranz und Antisemitismus gedeihen könnten, sagte der CSU-Fraktionschef und kündigte eine harte Gangart an: »Wer sich hier nicht integrieren will, wer seine Freiheitsrechte durch antisemitische Hetze und Gewalt missbraucht und unseren Rechtsstaat missachtet, der muss unser Land verlassen.«

Eine Politik, die nicht handle, verliere ihre Daseinsberechtigung, sagte Charlotte Knobloch.

Umso wichtiger sei es in diesem Zusammenhang, dass die Resolution auch politisch konkret umgesetzt werde, betonte Charlotte Knobloch. »Wenn politische Extremisten und muslimische Verbände Israel- und Judenhass befeuern, dann werden nicht tolerierbare Grenzen überschritten«, sagte sie und wies zugleich darauf hin, dass eine Politik, die hier nicht handle, ihre Daseinsberechtigung verliere.

Ein entschiedenes, gemeinsames »Nie wieder« sei angesichts der aktuellen Entwicklungen zwingend geboten, machte Horst Arnold als Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion deutlich. »Die in den letzten Tagen stattgefundenen Krawalle, die feigen Aktionen gegen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zeigen uns, dass der Antisemitismus immer wieder hochkommt, wenn wir als demokratische Parteien nicht genau aufpassen«, betonte er.

israelfeindlichkeit Für die FDP-Fraktion spielen die unterschiedlichen Formate von Juden- und Israelfeindlichkeit in einer Hinsicht keine Rolle. »Antisemitismus, egal, aus welcher Richtung er kommt, darf in Bayern keinen Platz haben«, machte FDP-Fraktionschef Martin Hagen deutlich. Angesichts der besonderen Verantwortung, die Deutschland trage, dürfe man seiner Ansicht nach auch nicht neutral bleiben, wenn Israel von Terrororganisationen angegriffen werde.

Propalästinensische Demonstrationen mit antisemitischen Auswüchsen fanden in den vergangenen Tagen in verschiedenen Städten statt, auch in München. Angesichts des Szenarios, das sich dabei bot, zeigte sich Charlotte Knobloch äußerst betroffen. »Ich bin zutiefst erschüttert, wie schamlos und offen der Antisemitismus auf den Demonstrationen der letzten Tage zur Schau gestellt wurde«, sagte sie.

Gefördert werden soll künftig auch zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus.

Derartige Erscheinungen dürften die Abgeordneten auch dazu bewogen haben, der Bekämpfung von Antisemitismus oberste Priorität einzuräumen. Neben den Aktivitäten, die die Staatsregierung für den Schutz jüdischen Lebens in den vergangenen Jahren bereits unternommen hat, wird in der Resolution ein ganzes Bündel von weitergehenden Maßnahmen genannt.

engagement Gefördert werden soll künftig auch zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus, ebenso sollen außerschulische Bildungseinrichtungen unterstützt werden. Zur Sicherung des vielfältigen jüdischen Lebens als wichtiger Bestandteil Bayerns gelte es, den Dialog der Religionen weiter zu befördern. Ferner müsse die Grundlage staatlichen Handelns die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) sein.

Die Aufrechterhaltung des Gedenkens an den Holocaust durch Unterstützung von Erinnerungseinrichtungen, KZ-Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen soll ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit sein. Auch sei es notwendig, eine Relativierung der Nazi-Terrorherrschaft zu verhindern. Dazu zähle auch, den Kampf gegen Antisemitismus als Kern des eigenen Werteverständnisses zu begreifen.

Der Ausbau der Erinnerungsarbeit steht ebenfalls auf der Agenda der Abgeordneten. Gute Ansätze dazu biete unter anderem das aktuelle Jubiläum »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«.

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