EILMELDUNG! Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer (103) ist tot

München

Altbewährt – und zeitgemäß?

»Wie steht es um die jüdisch-christliche Zusammenarbeit?«, war die Frage dieser Podiumsdiskussion. Foto: Tom J.M. Hauzenberger

Die Zahl ist beachtlich: 70 Jahre. Da kann sich durchaus die Frage stellen: Sind nicht mal Neuerungen, Veränderungen nötig? Es werden Überlegungen dieser Art gewesen sein, die die Podiumsdiskussion »Dialog mit Zukunft! Wie steht es um die jüdisch-christliche Zusammenarbeit?« motiviert haben und natürlich war es auch das Datum, waren es die 70 Jahre bundesweite »Woche der Brüderlichkeit«, die mittlerweile eine »Institution« ist, jährlich ausgerichtet vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (DKR).

Zum Abschluss einer zweitägigen Konferenz in München, zusammen mit Kooperationspartnern von der DKR initiiert, traf man sich zu einer Diskussion im Volkstheater. Dort begrüßte Rabbiner Andreas Nachama, »Jüdischer Präsident« des DKR, das Publikum und verwies auf die vielen Verdienste der christlich-jüdischen Gesellschaft. Dennoch sei der Weg, etwa angesichts der steigenden Zahlen antisemitischer Übergriffe, weiterhin »steinig«, und nach wie vor gebe es »Leerstellen im christlich-jüdischen Dialog«, etwa bei der Diskussion um »den Verbleib antijüdischer Mahnmale an Kirchengebäuden«.

FUNDAMENT Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte wegen eines ausgefallenen Fluges nicht anreisen können. Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen sagte er: Die christlich-jüdische Zusammenarbeit sei »angesichts der jahrhundertelangen Judenfeindschaft der Kirchen und der Schoa beileibe keine Selbstverständlichkeit«. Heute stehe sie auf einem »soliden Fundament«, der Zusammenhalt müsse jedoch durch »einen fortwährenden Dialog immer wieder neu errungen und gestärkt werden«.

Mit der Frage, ob es mit der »christlich-jüdischen Zusammenarbeit« nun »altbewährt« weitergehen solle oder eben »zeitgemäßer«, wurde an das Podium übergeben. Dort saßen: Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Christian Stückl, seit 1987 Spielleiter der Passionsspiele Oberammergau, Intendant des Münchner Volkstheaters und 2021 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet, die der DKR seit 1968 jährlich vergibt. Als Vertreter der jüngeren Generationen: Helene Shani Braun (24), Rabbinatsstudentin am Abraham Geiger Kolleg Potsdam und Aktivistin von Keshet Deutschland, Anna-Nicole Heinrich (26), Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie Dervis Hizarci (39), Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus und ebenfalls ein mit der Buber-Rosenzweig-Medaille Geehrter.

Charlotte Knobloch erinnerte sich an die Anfänge der christlich-jüdischen Gesellschaft.

Es moderierte Michael Brenner vom Lehrstuhl Jüdische Geschichte und Kultur der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, der gleich zu Anfang feststellte, dass eigentlich jeder Jude und jede Jüdin in Deutschland auf irgendeine Weise am jüdisch-christlichen Dialog beteiligt sei, »allein dadurch, dass man Teil dieser mehrheitlich christlich geprägten Gesellschaft ist«.

Charlotte Knobloch erinnerte sich noch gut an die Anfänge der christlich-jüdischen Gesellschaft, an die Bemühungen ihres Vaters in diese Richtung und daran, wie groß die Ablehnung vieler Überlebenden damals gewesen sei. »Aber die, die es schafften, trotz alledem an eine Zukunft zu glauben, die haben als Opfer den Dialog mit den Tätern« gesucht.

DIMENSION Braun sagte, dass der Dialog aus jüdischer Sicht um eine Dimension erweitert werden könne, wenn die jüdische Seite nicht nur als Experte fürs Judentum, die Schoa, den Nahost-Konflikt gesehen werde. »Ich werde immer wieder eingeladen. Dann stehe ich vor einer christlichen Gemeinde und erzähle. Das ist sinnvoll, aber mir fehlt da natürlich auch etwas.« So fände sie es zum Beispiel »ein schönes Erlebnis, wenn wir zum Lernen zusammenkämen, wenn wir uns zusammen einzelne Textstellen vornehmen würden, jeder mit seinem Wissen«.

Im Verlauf der Diskussion wurde immer wieder festgestellt, dass der wahre Dialog jenseits der institutionalisierten Wege, »die ihn vielleicht vorbereiten können«, stattfinde. Davon konnte auch Stückl berichten, der die Passionsspiele grunderneuert hat durch »die Bearbeitung des Textes bezüglich der darin tradierten Antijudaismen«, wie es ganz offiziell heißt. »Dafür musste ich viel lernen. Und was wirklich was gebracht hat, war, wenn wir uns zusammen, Juden, Nichtjuden, an einen Tisch gesetzt haben.« Von einem echten Dialog könne eigentlich erst die Rede sein, wenn man einfach mal »über anderes« rede, »übers Essen, übers Theater, übers Wetter«, sagt Stückl und Heinrich ergänzt: »Dialog muss auf Freiwilligkeit beruhen, sonst tun wir uns schwer, auch mal ein Nein zu sagen.«

Heinrich kam dann auf die Wichtigkeit der Bildungsarbeit zu sprechen. »Wir als Kirche haben da eine große Verantwortung«, zumal der Religionsunterricht oft den ersten Kontakt zum Judentum bringe. »Umso wichtiger ist es, sich darum zu

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