Purim

Alle Synagogen helfen

»Berlin meets Odessa«: Schminken an Purim Foto: Gregor Zielke

Purim

Alle Synagogen helfen

Die Feiern standen ganz im Zeichen der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine

von Christine Schmitt  25.03.2022 14:17 Uhr

Bunte Luftballons und farbenfreudige Dekorationen – so war der Saal am Mittwochabend vergangener Woche zur Purim-Feier in einem Hotel an der Budapester Straße geschmückt. Dieser Hut fiel trotzdem auf: David Teichtal hatte das Banner »Stars and Stripes« auf ihm befestigt und versuchte, gegen die Geräuschkulisse anzusprechen, um aus der Megilla vorzulesen. Das jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch hatte unter dem Titel »Berlin meets Odessa« eingeladen. Mit dabei waren auch die 250 ukrainischen Flüchtlinge, die die Gemeinde aufgenommen hat. Die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche.

»Vor drei Wochen waren sie noch in einem Bunker und hörten Sirenen, nun feiern sie das Purimfest«, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal. »Was für ein wunderbares Zeichen.« Und er freut sich, dass alle – Gemeindemitglieder und Geflüchtete – ein paar unbeschwerte und fröhliche Stunden erleben und von ihren Erlebnissen in den vergangenen Wochen abgelenkt werden konnten.

Etwa 60 Flüchtlinge kamen in die Synagoge Tiferet Israel an der Passauer Straße.

Es gab Schminktische, eine Fotoecke und einen Tisch mit Geschenken. Jeder bekam eine Schachtel mit einer kleinen Aufmerksamkeit. »Wir sind dankbar für jede Unterstützung, die es uns ermöglicht, die Flüchtlinge aus der Ukraine gut unterzubringen«, so Teichtal. Am vergangenen Mittwochabend kamen noch 100 Geflüchtete und am Sonntag noch weitere 120 an, sodass nun fast 400 Ukrainer von Chabad betreut werden.

MEGILLA »Wir waren zusammen und haben gefeiert«, sagt Rabbiner Reuven Yaacobov. Etwa 60 Flüchtlinge kamen in die Synagoge Tiferet Israel an der Passauer Straße. Jeder habe eine kleine Box mit Geschenken erhalten, die die Beter vorher gepackt hatten. Süßigkeiten, Schokolade und eine kleine Megilla wahlweise auf Hebräisch, Russisch oder Deutsch waren eingepackt. Laut ging es auch bei dieser Feier zu, zu der etwa 200 Beter kamen. Täglich werden die Geflüchteten in der Synagoge mit koscherem Essen versorgt, sagt der Rabbiner.

Seine beiden Großväter haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, während sein Urgroßvater in Usbekistan Menschen mit Essen versorgte. »Jetzt bin ich an der Reihe«, sagt der Rabbiner.

Ferner werden jüdische Flüchtlinge, die derzeit in einer Sporthalle untergebracht sind, ebenfalls mit koscherem Essen beliefert. »Aktuell suchen wir große Küchen, am liebsten eine Hotelküche, sodass wir die Speisen zubereiten können.« Denn es werden immer mehr Flüchtlinge, die versorgt werden müssen. Und Rabbiner Yaacobov betont: »Alle Berliner Synagogen helfen.« Zu Purim, fügt er noch hinzu, ist er – wie jedes Jahr – als Mordechai gegangen.

LÄRM Auch in der Synagoge Fraenkelufer wurde gefeiert. »Gäste aus der Ukraine haben mit uns gefeiert«, berichtet Nina Peretz. Für alle Kinder gab es Geschenkschachteln mit Süßem und Purim-Ratschen. Immerhin war es auch seit zwei Jahren die erste Purim-Feier in Präsenz. »Es war einfach wunderbar, die Synagoge endlich wieder voller Lärm und Leben zu haben.« 50 Kinder waren verkleidet gekommen. Ein Höhepunkt war das Theaterspiel des Fraenkelufer-Ensembles.

Die Schüler des jüdischen Religionsunterrichts der John-F.-Kennedy-Schule haben »richtig geschuftet«, sodass die Lehrerin Sarit Friedman rechtzeitig vor Purim 300 Mischloach Manot, Geschenke zu Purim, im Gemeindehaus für die Geflüchteten überreichen konnte. »Ich kam mit dem Packen gar nicht mehr hinterher, so viele Spenden hatten die Kinder mitgebracht«, so die Lehrerin.

Manche Eltern seien extra noch zu einem koscheren Supermarkt aufgebrochen, um Süßigkeiten einzukaufen.

Manche Eltern seien extra noch zu einem koscheren Supermarkt aufgebrochen, um Süßigkeiten einzukaufen. Andere Familien haben noch Hamantaschen gebacken. »Ich hoffe, wir konnten vielen Kindern eine kleine Freude bereiten«, so Sarit Friedman.

Auch in der Synagoge Pestalozzistraße standen Geschenktüten für alle Kinder bereit, die zu Purim kamen. Die Mitarbeiter vom Mitzwa-Express sind schon beim nächsten Fest: »Wir bereiten gerade die Essensaktion für Pessach vor«, so Dagmar Otschik.

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025