Dessau

Abbild des Zusammenlebens

Rund und hell: So soll die neue Dessauer Weill-Synagoge neben dem alten Kantorenhaus aussehen. Foto: Architekturbüro Prof. Alfred Jacoby

Ein kompakter, runder, lichterfüllter Bau mit einer abstrahierten Krone auf dem Dach und einem golden schimmernden, umlaufen­den Schild mit hebräischer Inschrift: So soll die neue Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Dessau aussehen. Noch kann sie nur auf digitalen Visualisierungen des Frankfurter Architekturbüros Alfred Jacoby betrachtet werden.

Die Bauarbeiten haben im vergangenen November begonnen, berichtet Jacoby am Telefon. Die Fertigstellung der Synagoge soll laut Gemeinde bis Ende März 2022 erfolgen. Der Synagogenneubau sei für etwa 90 Menschen ausgelegt, davon rund 60 Männer und 30 Frauen, erklärt Gemeindevorsitzender Alexander Wassermann.

Die Mitgliederzahl der zum Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt gehörenden Dessauer Community beziffert er auf etwa 280. »Wir erstellen ein sehr markantes Gebäude, direkt zur Straße hin gewandt«, berichtet Jacoby. Es werde an das sogenannte Kantorenhaus angebaut, das schon seit jeher zur Gemeinde gehört.

Weill-Synagoge Nicht zuletzt deshalb soll der Neubau den Namen »Weill-Synagoge« tragen. Der Gemeindesvorsitzende verweist zum einen auf den berühmten jüdischen Komponisten Kurt Weill (1900–1950), einen gebürtigen Dessauer, dessen Vater Albert um die Jahrhundertwende Kantor der Dessauer Gemeinde war. »Zum anderen war die Kurt-Weill-Gesellschaft e.V. ein maßgeblicher Initiator des Synagogenneubaus in Dessau«.

»Wir arbeiten auf einem Grundstück, auf dem früher einmal die Synagoge stand«, erklärt Jacoby. Dessau ist im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert worden. Dadurch hat sich der ganze Stadtgrundriss verändert – so auch die Straße, an der einst die Synagoge stand. Der Neubau entsteht nun an einer mehrspurigen Zufahrtsstraße, an der überdies eine katholische und eine evangelische Kirche stehen. »Es war spannend, sich dort einzureihen«, betont Jacoby.

Die Gemeinde zeigt sich ebenfalls geschichtsbewusst: »Die damalige Dessauer Synagoge war eine der ersten, die 1938 zerstört wurden. Somit stellt ein Synagogenneubau ein sichtbares Zeichen der Wiederherstellung jüdischen Lebens in Dessau dar und ist daher auch für die gesamte Stadt wichtig.«

Der Synagogenbau in Magdeburg wird mit 2,8 Millionen Euro vom Land bezuschusst.

Auch in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg soll bald eine neue Synagoge entstehen. Mit 419 Mitgliedern ist die dortige Gemeinde etwas größer. Die Landesregierung stimmte im vergangenen November dem Vergabekonzept für das Projekt zu. Das Land bezuschusst es mit 2,8 Millionen Euro.

Die Vorplanung der neuen Synagoge sei so gut wie fertig, die Finanzierung fast gesichert, berichtet der Magdeburger Gemeindevorsitzende Wadim Laiter. Noch fehle der Zuwendungsbescheid. »Der Bau der neuen Synagoge wird für uns eine Bestätigung für die Zukunft des jüdischen Lebens in Deutschland sein«, sagt Laiter.

Freude Während in Magdeburg noch geplant wird, meldet Jacoby für Dessau-Roßlau keine Verzögerungen. Im dort entstehenden Neubau spiegelt sich sein Verständnis der Synagogenarchitektur wider: »Für mich ist es wichtig, dass eine Synagoge so gemacht ist, dass dort jeder hineingehen kann. Das heißt, man kann sehr orthodox sein oder eben auch nicht.«

Die Synagoge müsse für alle da sein und für alle funktionieren. Sie müsse etwas Positives vermitteln. Jacoby verweist auf seinen Klassenkameraden, den ehemaligen Zentralratspräsidenten Dieter Graumann, der einmal gesagt habe: »Judentum ist etwas, worüber man sich freuen soll.«

Jacobys Entwurf sieht vor, dass der Haupteingang der Dessauer Synagoge an der Straße liegt und kein Zaun den Bau eingrenzt. Der Architekt, der schon zahlreiche Synagogen gebaut hat, ist sich der Bedeutung des Sicherheitsaspekts bewusst: »Er ist leider gültig.« So sei es 1988 geplant gewesen, die Fassade der Darmstädter Synagoge an die Straße zu bauen. Etliche Institutionen hätten damals aber einen Zaun angemahnt.

Hochsicherheitsbauten »Es entstellt schon die Architektur«, beklagt Jacoby. »Es kann nicht Aufgabe der Architektur sein, Hochsicherheitsbauten zu errichten«, sagt er. »Es kann nicht sein, dass man eine Bunkermentalität entwickelt und keine Fenster macht oder den Eingang versteckt.« Man müsse, so Jacoby, im Ausdruck etwas finden, das durch technische Dinge nachgebessert werde.

Sicherheit ja, aber Bunkermentalität lehnt Architekt Jacoby ab.

Wenn er auf den Wandel der Synagogenarchitektur in Deutschland in den zurückliegenden drei Jahrzehnten blickt, dann fällt Jacoby vor allem eines auf: »dass die Architektur sich nicht mehr versteckt.« Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man sich nicht getraut, sich offen zu zeigen. Jacoby verweist beispielhaft auf die von Hermann Zvi Guttmann entworfene, 1956 eröffnete Offenbacher Synagoge: »Guttmann hat das Gebäude möglichst weit weg von der Straße gebaut und Bäume davor gestellt.«

Selbstverständnis Die Offenbacher Nachkriegssynagoge kennt Jacoby seit seiner Kindheit. »Ich komme aus einer Überlebendenfamilie. Meine beiden Eltern waren im Konzentrationslager«, berichtet er. Die Guttmann-Synagoge habe er als Kind als sehr düster erlebt. »Das war überhaupt nicht lustig«, erinnert er sich. 1998 erweiterte er als Architekt den Gebäudekomplex der Offenbacher Gemeinde, deren Vorsitzender er heute ist.

Um das gewandelte Selbstverständnis der jüdischen Gemeinschaft zu unterstreichen, zitiert Jacoby eine Sentenz aus Charlotte Knoblochs Bundestagsrede zum Holocaust-Gedenktag in diesem Jahr: »Ich stehe als stolze Deutsche vor Ihnen.« Jacoby erläutert: »Man möchte ein Teil der Gesellschaft sein. Es ist die Aufgabe des Bauwerks, abzubilden, dass man es auch ist.« Synagogen seien keine Mahnmale: »Sie sind Abbild eines Zusammenlebens. Sie müssen sich meiner Meinung nach städtebaulich einfügen.«

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