Neulich beim Kiddusch

Zionistischer Trockenschwimmer

Was einem in der Synagoge alles passieren kann

von Chajm Guski  21.01.2010 00:00 Uhr

Auch er war zu Lebzeiten nie im Land: Theodor Herzl Foto: Marco Limberg

Was einem in der Synagoge alles passieren kann

von Chajm Guski  21.01.2010 00:00 Uhr

In London eine passende jüdische Gemeinde zu finden, ist fast so einfach wie in Deutschland. Bei uns ist es einfach, weil es im Regelfall nur eine Gemeinde gibt. Da fällt die Auswahl leicht. In London gibt es dagegen Gemeinden und Gruppen für jeden Geschmack: orthodoxe Synagogen nach englischem Ritus, deutschem oder sefardischem, liberale Synagogen, Reformsynagogen, Masorti-Synagogen und und und. Jedenfalls suchte ich mir eine der Synagogen für den Besuch am Schabbat aus. Hauptsächlich natürlich auch, um mit Juden aus der Stadt zu sprechen.

Im Internet machte die Synagoge meiner Wahl einen feinen und gastfreundlichen Eindruck. Der Kiddusch am Freitagabend mit dem darauffolgenden Oneg Schabbat zeigte, dass viele Reisende eine Synagoge suchen.

Ich traf zum Beispiel Pablo aus Buenos Aires. Er lebte schon seit einer Weile in London. Schnell war das Eis gebrochen. Als er kurz weg war, um ein paar Worte und Telefonnummern mit einer blonden Britin zu tauschen, setzten sich Nurit und Yoram zu mir. Ein israelisches Paar, junge Leute, die direkt nach Namen und Herkunft fragten. »Aus Deutschland kommst du? Warum ziehst du nicht nach Israel? Meinst du nicht, du solltest dort leben? Alle Juden sollten in Israel leben! Nur dort können wir als Juden frei sein.« Wenn sie ihre Angelegenheiten in London geregelt hätten, seien sie froh, Europa wieder verlassen zu können, sagten sie. Auf ihre Fragen hatte ich keine Antwort, aber sie machten mir ein schlechtes Gewissen. Ich wich aus und versicherte mein Engagement für die zionistische Sache. Sie nannten mich »einen zionistischen Trockenschwimmer«.

Dennoch wurde es ein fröhlicher Schabbatabend, an dem viel gelacht wurde. Wir tauschten Adressen und verabredeten uns lose in der gleichen Gemeinde für den Folgemonat, an dem ich wieder in London sein würde.

In den Wochen dazwischen arbeitete es in mir: Alija, jetzt oder wann überhaupt? Sollte ich nicht einfach aufbrechen? Aber was würde die Familie dazu sagen? Gibt es überhaupt den richtigen Zeitpunkt?

Als ich wenig später das nächste Mal in London war, fand ich die beiden zunächst nicht, sah aber dann, wie sie sich zu Pablo setzten. Aus Argentinien sei er, aha, und warum lebe er nicht in Israel, wollten sie wissen. Alle Juden sollten in Israel leben, denn nur dort könnten sie frei sein. Pablo sah zerknirscht aus und fuhr mit dem Finger nervös über den Tisch. Um die Situation für Pablo zu entspannen, warf ich, von der Seite kommend, ein: »Wenn wir in zehn Jahren alle in Israel leben, treffen wir uns auf einen Kaffee bei mir zu Hause«, schüttelte fröhlich die Hände meiner neuen Freunde und überlächelte mein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber.

Noch immer hatte ich keine Antwort auf ihre Fragen. Geschickt mogelte ich mich am Thema vorbei. Wir tauschten Visitenkarten und hielten später sporadisch Kontakt per E-Mail. Dann gab es eine kleine Pause. Sicher waren sie mit ihrem Umzug beschäftigt. Waren sie auch. Denn eines Tages erreichte mich die Einladung zu einer »House warming party«. »Wir sind froh, endlich angekommen zu sein in unserem eigenen kleinen Haus. Falls Ihr in Berlin seid – feiert mit uns unser neues Zuhause«.

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