Interview

»Wir bauen keine neuen Reben an«

Herr Rabbiner Aronzon, in der Tora heißt es über das Schmitta-Jahr: »Im siebten Jahr sollst du dein Feld nicht besäen und deinen Weinberg nicht beschneiden.« Nun kommt ein Schmitta-Jahr. Was bedeutet das für die Winzer und die anderen Landwirte in Israel? Gibt es nach Rosch Haschana keine Lese mehr?
Doch. Die Traubenlese des Jahres 5774, das jetzt zu Ende geht, hat schon vor ein paar Wochen begonnen. Und die Trauben, die nach Rosch Haschana reif werden, zählen wir noch nicht zur Lese des neuen Jahres 5775. Erst die Trauben, die wir ab dem kommenden Spätsommer lesen, also im Sommer 2015, gelten als Teil der Lese des Schmitta-Jahres, das wir alle sieben Jahre in Israel beachten müssen.

Die Trauben des Schabbatjahres werden also verarbeitet wie in jedem anderen Jahr. Ist Schmitta-Wein denn auch koscher?
Ja, aber auf diesen Flaschen steht: »Kadosch be-Keduschat Schewi’it« (»heiliger Wein des siebenten Jahres«). Und für diesen Wein gelten besondere Bedingungen bei der Produktion und beim Verbrauch.

Welche?
Schewi’it-Wein darf nicht weggeschüttet werden, man darf also bei der Hawdala-Zeremonie am Ende des Schabbats nicht die Kerze in diesem Wein löschen. Und der Wein wird unter der Aufsicht von »Ozar Beit Din« hergestellt. Das bedeutet, dass ein religiöses Gericht die Verantwortung für die Produktion übernimmt. Das Beit Din ist auch zuständig für die Vermarktung des Weins und übernimmt die Verantwortung für den Verkauf.

Bedeutet das Schmitta-Jahr einen wirtschaftlichen Verlust für die Winzer?
Ehrlich gesagt, ist das schon ein Problem. Ins Ausland darf man den Wein des Schmitta-Jahres 5775 erst nach Pessach 2016 verkaufen – es gibt aber Ausnahmen. Doch manche Juden in der Diaspora halten Schewi’it-Wein für so heilig, dass sie ihn lieber gar nicht trinken, um ja nichts falsch zu machen. Es gibt in Israel Landwirte, für die die Einschränkungen des Schmitta-Jahres schwer zu ertragen sind. Deswegen hat unter anderem der erste israelische Oberrabbiner Abraham Jitzchak Kook erlaubt, das Land symbolisch an Nichtjuden zu verkaufen. Aber das war zu einer Zeit, in der es im Jischuw massive wirtschaftliche Probleme gab. Es gibt heute immer noch Landwirte, die auf diese Regelung zurückgreifen. Aber im Weinbau ist es nicht üblich.

Was müssen Sie 5775 beachten?
Die Tora schreibt vor, dass wir die Weinstöcke im Schabbatjahr nicht beschneiden dürfen. Es ist also verboten, einen professionellen Schnitt vorzunehmen, damit neue Reben an mehreren Augen der Zweige wachsen können. Wir dürfen den Weinberg aber nicht verwahrlosen lassen. Deswegen machen Nichtjuden für uns eine unumgängliche Arbeit: einen rudimentären Schnitt mit einer Säge in einer Höhe von etwa 30 Zentimetern. Wir säen im Schmitta-Jahr auch keine neuen Weinstöcke.

Mit dem Rabbiner und Maschgiach der Golan Heights Winery in Katzrin sprach Ayala Goldmann.

Talmudisches

Freundlich grüßen

Was unsere Weisen über Respekt im Alltag lehren

von Yizhak Ahren  04.12.2025

Begnadigung

Eine Frage von biblischer Tragweite

Die Tora kennt menschliche Reue, gerichtliche Milde und g’ttliche Gnade – aber keine juristische Abkürzung

von Rabbiner Raphael Evers  03.12.2025

Geschichte

Wie Regina Jonas die erste Rabbinerin wurde

Die Ordination Ende 1935 war ein Ergebnis ihres persönlichen Kampfes und ihrer Kompetenz – ein Überblick

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  03.12.2025

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 01.12.2025 Aktualisiert

Wajeze

Aus freier Entscheidung

Wie Jakow, Rachel und Lea eine besondere Verbindung zum Ewigen aufbauten

von Paige Harouse  28.11.2025

Talmudisches

Frühstück

Was schon unsere Weisen über die »wichtigste Mahlzeit des Tages« wussten

von Detlef David Kauschke  28.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  28.11.2025

Kiddusch Lewana

Im Schein des Trabanten

Auf jeden neuen Mond sprechen Juden einen Segen. Was steckt dahinter?

von Rabbiner Dovid Gernetz  27.11.2025