Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Jüdische Superwoman: So stellt sich die KI die Tochter Mattitjahus vor – triumphierend über den Sieg gegen die Griechen. Foto: Clara Wischnewski via KI

In einem populären Chanukka-Lied heißt es: »Nerotei hase’irim – ma rabu hasipurim« – »Meine kleinen Lichter – wie viele Geschichten sie erzählen!«

Chanukka ist die Zeit des Erzählens. Die Geschichte vom Krüglein Öl kennen wir schon. Die Sache mit den Makkabäern und ihrer Tempelreinigung ist auch hinlänglich bekannt. Doch wussten Sie, dass die fünf wackeren Söhne Mattitjahus auch eine Schwester hatten?

Zeit des Erzählens

Diese Geschichte erschließt sich, wenn man einem Hinweis von Raschi (1040–1105) nachgeht. Im Talmud (Schabbat 23a) wird erklärt, dass auch Frauen zum Zünden der Chanukkalichter verpflichtet sind, »weil auch sie von diesem Wunder betroffen waren«. Aber Raschi geht darüber hinaus und sagt: »Wegen einer Frau geschah das Wunder«! In seinem Kommentar deutet er an, was damit gemeint ist. Zu den israelfeindlichen Dekreten der Griechen habe gehört, dass sie das »Jus primae Noctis« verhängten: Jede jüdische Braut hätte in der Hochzeitsnacht zuerst mit dem Gouverneur zu verkehren.

Raschis Anmerkung spiegelt mittelalterliche Midraschim wider, die von einer Frau berichten, die der Praxis der Vergewaltigung in der Hochzeitsnacht ein Ende setzen wollte. Der Legende nach war es die Tochter von Mattitjahu HaKohen, also eine Schwester der fünf Makkabäerbrüder, die zur Heldin von Chanukka wurde.

Als sie bei ihrer Hochzeitsfeier erfuhr, was ihr bevorstand, und dass anscheinend niemand vorhatte, etwas dagegen zu unternehmen, beschloss sie, selbst aktiv zu werden. Als alle beim Festmahl saßen, stand sie auf, riss sich die Kleider vom Leib und stand nackt vor der ganzen Hochzeitsgesellschaft. Die Brüder waren beschämt und wütend und wollten sie wegen dieses Ehrverlusts töten. Sie aber rief ihnen zu: »Was, das beschmutzt eure Ehre? Aber nicht der Umstand, dass jede Braut erst vom Statthalter vergewaltigt wird?«

Aus Wider- entwickelt sich Aufstand

Sie rief ihre Brüder zum Widerstand auf. In jener Nacht schlichen diese statt ihrer zum Schlafzimmer des Statthalters, töteten ihn – und so begann der Aufstand gegen die Griechen, der letztlich siegreich war und zur Wiedereinweihung des Tempels führte.

Die fünf Söhne Mattitjahus hatten auch eine Schwester.

Im Midrasch »Ma’asseh Chanukka« wird diese Geschichte erzählt. Hier ist die Makkabäertochter namenlos, aber in manchen Überlieferungen wird sie Chana, in anderen Judith genannt.

Überhaupt sind Frauen in der Chanukka-Folklore prominent vertreten. Da ist die Erzählung von der Mutter, deren sieben Söhne den Tod vorziehen, anstatt auf Geheiß des griechischen Herrschers Götzendienst zu vollziehen. Sie ist im zweiten Makkabäer-Buch erwähnt, wird aber im Talmud (Gittin 57b) noch ausgeschmückt.

Auch die Geschichte von Judith, die ihr Volk vor dem Tyrannen Holofernes rettet, wird zu Chanukka gelesen. Und »Megillat Antiochus«, eine Verarbeitung der Makkabäerlegende aus dem 6. bis 8. Jahrhundert n.d.Z., ist auffällig nach dem Buch Esther modelliert. Wenn wir beim Zünden der Chanukkalichter genau hinhören, erzählen sie uns nicht nur die Geschichten von tapferen Kriegern, sondern auch die von mutigen Frauen.

Die Autorin amtiert in der Jüdischen Gemeinde Hameln und lehrt am Regina-Jonas-Seminar für Liberale Rabbinatsausbildung.

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns erwarten?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Chanukka

Das jüdische Licht

Die Tempelgeschichte verweist auf eine grundlegende Erkenntnis, ohne die unser Volk nicht überlebt hätte – ohne Wunder kein Judentum

von Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky  12.12.2025

Deutschland-Reise

Israels Oberrabbiner besucht Bremen

Kalman Meir Ber trifft Bürgermeister Andreas Bovenschulte und die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer (beide SPD)

 12.12.2025

Wajeschew

Ein weiter Weg

Das Leben Josefs verlief nicht geradlinig. Aber im Rückblick erkennt er den Plan des Ewigen

von Rabbinerin Yael Deusel  12.12.2025

Talmudisches

Nach der Sieben kommt die Acht

Was unsere Weisen über die Grenze zwischen Natur und Wunder lehren

von Vyacheslav Dobrovych  12.12.2025