Tasria-Mezora

Was die Haut offenbart

Zara’at steht für die Störung im sozialen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Miteinander. Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Abschnitt Mezora widmet sich Menschen, die von Aussatz befallen sind. Die Flecken, die den Körper eines Aussätzigen verunstalten, kommen nicht von ungefähr – so die Erklärung der Tora. Sie zeigt, dass der Kranke schlecht über andere geredet hat.

Der Hautausschlag (hebräisch: Zara’at) gleicht keiner Krankheit, die die Medizin kennt. Sie wird nicht primär von somatischen Veränderungen verursacht. Sie offenbart mit ihrem Auftreten vielmehr ethisches Fehlverhalten.

kommunikation Der Ausschlag zeigt sich auf der Haut, dem Organ, das den Menschen mit seiner Umwelt in Kontakt treten lässt und verbindet. Die Haut ermöglicht uns, andere Lebewesen zu berühren und intime Nähe aufzubauen. Diese Form der Kommunikation wird durch das Auftreten von Ausschlag beeinträchtigt beziehungsweise im Fall von Ansteckungsgefahr unmöglich gemacht. Der Erkrankte muss von seiner Umwelt ausgegrenzt werden.

Zara’at steht für die Störung im sozialen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Miteinander. Sie zeigt am Körper des Erkrankten an, dass er in negativer Beziehung zu seinem Umfeld lebt. Er denkt und redet schlecht von seinen Mitmenschen. Das sehen wir auch, wenn wir das Wort »Mezora« aufschlüsseln in seinen Bestand aus den drei Wörtern »Mozi-schem-ra« – »einer, der den Namen eines anderen schlecht redet«.

Er vergiftet die gesellschaftliche Atmosphäre, und dieses Tun fällt auf ihn zurück. Es manifestiert sich mit der Zeit für alle öffentlich sichtbar auf seiner Haut. Die Symptome zwingen ihn, sich von den Menschen seiner Umgebung zu distanzieren, sich in Isolation zu begeben. So wird er daran gehindert, die Gemeinschaft weiter mit seiner Bösartigkeit zu belasten.

fehlverhalten In dieser Situation hat er Gelegenheit, in sich zu gehen und sein bisheriges Verhalten kritisch zu überprüfen. Er wird motiviert sein, so schnell wie möglich in sein vertrautes Umfeld zurückzukehren. Entsprechend ernsthaft und tiefgehend wird er sein Fehlverhalten und seine Sünde erkennen und korrigieren.

Es ist interessant und nach allem, was wir bisher über diese Hautkrankheit erfahren haben, auch zu erwarten: Ein von ihr befallener Mensch wird nicht zum Arzt, sondern zum Priester geschickt, denn dieser stiftet von Berufs wegen Liebe und Frieden in der Welt.

Hillel sagt in Mischna Avot 1,12: »Sei von Aharons Schülern, Frieden liebend und nach Frieden strebend, die Geschöpfe liebend und sie näher bringend zur Tora.« Das bedeutet: Das Medikament, das bei Aussatz hilft, ist jemand, der Menschen liebt. So geht die Quarantäne, die der Priester bei dieser Krankheit anordnet, nicht auf die Diagnose irgendeiner Viruserkrankung zurück. Das Urteil des Priesters lautet vielmehr: Ein an Zara’at Leidender ist jemand, dem es an Menschenliebe mangelt, der nicht Tora lernt, sondern sich von ihr entfernt hat. Das macht ihn krank.

priester Der Priester entscheidet auch darüber, ob der Mezora wieder gesund geworden ist, und wann er in die Gesellschaft zurückkehren kann. »Und wenn der Priester ihn dann besieht und findet, dass der Aussatz den ganzen Leib bedeckt hat, so soll er den Kranken für rein erklären, weil alles an ihm weiß geworden ist; er ist rein. Findet sich aber wildes Fleisch an dem Tage, da er besehen wird, so ist er unrein« (3. Buch Mose 13, 13–14).

Diese Anweisung bestätigt noch einmal: Wenn es sich um ein medizinisches Problem handeln würde, wäre diese Aussage nicht logisch.
Trotzdem, erklärt Awraham Ibn Esra (1089–1167), stellt der Priester am äußeren Erscheinungsbild des von Zara’at Befallenen fest, ob er sich noch im Zustand der Unreinheit befindet oder ihn überwunden hat. Es stellt sich nur die Frage: Warum wird er andere nicht mehr unrein machen, wenn doch sein ganzer Körper vom Aussatz bedeckt ist?

Darauf antwortet Mosche Schreiber, der Chatam Sofer (1762–1839): Der Aussatzkranke, der sich übler Nachrede schuldig gemacht hat, ist in seiner Schlechtigkeit zum Beispiel mit dem Pharao zu vergleichen. Von ihm wissen wir: Er ist erschaffen, um dem Volk Israel die Möglichkeit zur Teschuwa zu geben.

gefahr Die Erfahrung lehrt uns: Wenn wir absolut bösen Menschen begegnen, die sich daran versuchen, die jüdische Welt zu vernichten, dann besteht für uns keine Gefahr, dass wir ihnen ähnlich werden. Wir erkennen dann ohne Zweifel, wo Gefahr droht.

Der Frevler Haman, der die Kinder Israels ausrotten wollte, brachte das Volk zur Umkehr, wie es in der Purimgeschichte erzählt wird. Zum Zeichen, dass Haman von König Ahasveros die Erlaubnis erhalten hatte, die Juden zu vernichten, zog dieser seinen Siegelring vom Finger und übergab ihn seinem obersten Fürsten.

Dazu schreibt der Talmud: »Das Abziehen des Siegelrings wirkte mehr als die 48 Propheten und sieben Prophetinnen, die Israel predigten: Sie alle bekehrten sie nicht zum Guten, während das Abziehen des Siegelrings sie zum Guten bekehrte« (Megilla 14,1).

HÄUSER In Paraschat Mezora wird darüber hinaus auch vom Aussatz an Kleidern und Häusern gesprochen. Diese Aussagen stützen die Auslegung, dass es sich bei Zara’at primär um keine Hautkrankheit im herkömmlichen Sinne handelt, sondern um die Beeinträchtigung von zwischenmenschlichen Beziehungen privater wie auch gesellschaftlicher Art.

Wird die Kleidung vom Aussatz befallen, ist das ein Zeichen, dass zum Beispiel ein Richter, ein Arzt oder ein Soldat nicht seinem Auftrag gemäß handelt. Findet sich an einem Haus Zara’at, kann man darauf schließen, dass sich seine Bewohner außerhalb ihrer Privatsphäre eher als unangenehme Zeitgenossen offenbaren, während sie innerhalb ihres Familienkreises vorteilhafter auftreten.

Über die Zerstörung Jerusalems steht in den Klageliedern, dem biblischen Buch Echa, geschrieben: »Wie liegt die Stadt so verlassen, die an Volk so zahlreich war. Sie ist wie eine Witwe geworden« (1,1). Diese Beschreibung Jerusalems lässt uns an das Krankheitsbild der Mezora denken, die in diesem Fall weite gesellschaftliche Kreise gezogen hat.

Wir lernen hier: Auch das Land und der Staat Israel können sich einen schlechten Ruf erwerben, wenn sich dort Hass und Rassismus ausbreiten.

Demgegenüber ist die Tora daran interessiert, dass wir eine gerechte und lebensfreundliche Gesellschaft aufbauen, in der Anspruch und Wirklichkeit unseres ethischen Handelns miteinander übereinstimmen.

Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

inhalt
Der Wochenabschnitt Tasria lehrt die Gesetze für die Wöchnerin und die Dauer der Unreinheit. Bei einem männlichen Kind wird zudem festgelegt, dass es am achten Tag nach der Geburt beschnitten werden soll.
3. Buch Mose 12,1 – 13,59

Im Wochenabschnitt Mezora wird die Reinigung von Menschen beschrieben, die von Aussatz befallen sind.
3. Buch Mose 14,1 – 15,33

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