Schabbat Hagadol

Vorbereitung auf das Fest der Freiheit

»Ein jeder solle selbst für sein Haus ein Lamm besorgen« (2. Buch Mose 12). Foto: Flash 90

Der letzte Schabbat vor dem Pessachfest wird in traditionellen Kreisen »Schabbat Hagadol«, der erhabene Schabbat, genannt. An diesem Schabbat bereiten wir uns ernsthaft auf das vor uns liegende Fest der Befreiung unserer Vorfahren aus der Sklaverei Ägyptens vor.

Sich Jahr für Jahr auf die einst erhaltene Freiheit zu besinnen, ist nicht leicht. Der Herr führte sein Volk vor etwa dreieinhalb Jahrtausenden aus Ägypten. Die Israeliten hatten dort vier Jahrhunderte lang als Fronarbeiter gedient. Diese g’ttliche Befreiung gilt bis heute als Urerlebnis der Israeliten. Durch dieses Erlebnis wurden wir einst zu einem Volk.

Kann man heute ein noch so bedeutendes Ereignis, das so lange zurückliegt, würdigen und feiern? Verblasst nicht jede Würdigung und Feier mit der Zeit und wird zu einer bloßen Pflichtübung? Es sei denn, das Fest gewinnt zusätzliche Inhalte, die eine weitere Beschäftigung damit verlangen, zum Beispiel Rituale, auf die man sich intensiv vorbereiten, in die man sich vertiefen muss.

Seder Solche Rituale hatte das Pessachfest zur Genüge, wie das Zubereiten des Pessachlamm-Opfers in Jerusalem vor der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.d.Z. Heute bleibt davon nur noch die verbindende Erinnerung in Form eines gebratenen Knochens auf dem Sederteller. Aber das Backen der Mazzot ist auch heute verpflichtend.

Unsere Rabbinen verglichen das Pessachfest mit dem Schabbat, um damit zu begründen, warum man sich am letzten Schabbat vor Pessach auf das Fest konzentriert. Sie betonen: Während der Schabbat das Individuum, den Einzelnen von der Last der Eintönigkeit der Arbeit befreit, führt das Pessachfest die Israeliten als Volk aus der Unterdrückung in die Freiheit. Einfacher gesagt: Der Schabbat schenkt dem Einzelnen eine Form der Freiheit – die Unterbrechung der Arbeit. Pessach befreite das Volk von der Knechtschaft eines anderen Volkes. Der eine sprengt die Ketten der sozialen, der andere die Ketten der nationalen Unterdrückung.

In Wirklichkeit sind beide Tage im Inneren miteinander verbunden. Der eine wirkt ohne den anderen sinnlos. Was könnte die nationale Freiheit bedeuten, wenn der Einzelne im Volk weiter unterdrückt und ausgebeutet bleibt? Und wie könnte sich das Sprengen der sozialen Ketten nützlich auswirken, wenn nicht das ganze Volk sich frei entfalten kann?

Lamm Die Gelehrten sahen in diesem Schabbat, an dem sich gemäß der Überlieferung die Israeliten einst das Pessachlamm für das Opfer der Befreiung besorgt hatten, einen Hinweis: Der Auszug selbst erfolgte am 15. Tag des Monats Nissan. Doch der Weg in die Freiheit begann bereits mit den Vorbereitungen: »Ein jeder solle selbst für sein Haus ein Lamm besorgen« (2. Buch Mose 12).

Die Versorgung aus der Gemeinschaftsküche der Sklavenhalter nimmt hier sein Ende. Freiheit bedeutet auch Selbstversorgung. Diese muss erlernt und bewusst gemacht werden. Der Anfang der Selbstständigkeit, der Freiheit begann mit einem selbst erworbenen Lamm für das letzte Abendessen der Sklaven in Ägypten.

Mancher wird sich fragen: Wieso wurde das Lamm am Schabbat besorgt? Nun, die Festlegung des arbeitsfreien Tages auf den Schabbat erfolgte erst am Berg Sinai, nach dem Auszug aus Ägypten, nach dem Erlangen der Freiheit.

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Beha’Alotcha

Damit es hell bleibt

Wie wir ein Feuer entzünden und dafür sorgen, dass es nicht wieder ausgeht

von Rabbiner Joel Berger  13.06.2025

Talmudisches

Dankbarkeit lernen

Unsere Weisen über Hakarat haTov, wie sie den Menschen als Individuum trägt und die Gemeinschaft zusammenhält

von Diana Kaplan  13.06.2025

Tanach

Schwergewichtige Neuauflage

Der Koren-Verlag versucht sich an einer altorientalistischen Kontextualisierung der Bibel, ohne seine orthodoxen Leser zu verschrecken

von Igor Mendel Itkin  13.06.2025

Debatte

Eine »koschere« Arbeitsmoral

Leisten die Deutschen genug? Eine jüdische Perspektive auf das Thema Faulheit

von Sophie Bigot Goldblum  12.06.2025

Nasso

Damit die Liebe bleibt

Die Tora lehrt, wie wir mit Herausforderungen in der Ehe umgehen sollen

von Rabbiner Avichai Apel  06.06.2025

Bamidbar

Kinder kriegen – trotz allem

Was das Schicksal des jüdischen Volkes in Ägypten über den Wert des Lebens verrät

von Rabbiner Avraham Radbil  30.05.2025

Schawuot

Das Geheimnis der Mizwot

Der Überlieferung nach erhielt das jüdische Volk am Wochenfest die Tora am Berg Sinai. Enthält sie 613 Gebote, oder sind es mehr? Die Gelehrten diskutieren seit Jahrhunderten darüber

von Rabbiner Dovid Gernetz  30.05.2025

Tikkun Leil Schawuot

Nacht des Lernens

Die Gabe der Tora ist eine Einladung an alle. Weibliche und queere Perspektiven können das Verständnis dabei vertiefen

von Helene Shani Braun  30.05.2025