Talmudisches

Vom Umgang mit Tieren

Wie der babylonische König Nebukadnezar einen lebenden Hasen aß

von Netanel Olhoeft  09.01.2020 16:22 Uhr

Noachidische Gebote: Nach der Tora ist es verboten, ein lebendes Tier zu essen. Foto: Getty Images/iStockphoto

Wie der babylonische König Nebukadnezar einen lebenden Hasen aß

von Netanel Olhoeft  09.01.2020 16:22 Uhr

»›Auch rebellierte Zidkijahu gegen den König Nebukadnezar (und brach den Schwur), den jener ihn bei G’tt hatte schwören lassen‹ (Zweites Buch der Chronik 36,13). ›Um was für eine Rebellion handelte es sich da?‹, fragt der Talmud. ›Zidkijahu hatte beobachtet, wie Nebukadnezar heimlich einen lebenden Hasen gegessen hatte.‹«

Als Nebukadnezar bemerkte, dass Zidkijahu ihn beobachtet hatte, schämte er sich und sagte zu ihm: »Schwöre mir, dass du dies niemandem erzählen wirst, damit diese Sache nicht an die Öffentlichkeit gelangt« (Nedarim 65b). Daraufhin schwor ihm Zidkijahu dies. Später aber erzählte er es doch.

Rebellion Zidkijahu war der letzte König von Jehuda im frühen 6. Jahrhundert vor der Zeitrechnung. Gegen Ende seiner Regierungszeit rebellierte er gegen die babylonische Oberherrschaft. Daraufhin ließ König Nebukadnezar Jerusalem zerstören.

Nach der Tora ist es nicht nur verboten, ein lebendes Tier zu essen, sondern auch die »spielerische« Jagd ist verpönt.

Wie die Gemara uns hier anekdotisch berichtet, gab es allerdings auch noch einen persönlicheren Grund, warum der große mesopotamische König Nebukadnezar auf Zidkijahu nicht gut zu sprechen war: Die beiden Männer hatten unterschiedliche Vorstellungen vom Umgang mit Tieren.

Nach dem berühmten Talmudkommentator Maharscha, Rabbi Schmuel Edels (1555–1631), hatte Nebukadnezar den oben genannten Hasen während einer königlichen Jagdpartie gefasst. Aus seinem Erfolgsgefühl heraus wollte der babylonische Herrscher dann aber nicht warten, bis seine Jagdtrophäe zubereitet wurde, sondern er verspeiste den Hasen sofort, roh und lebendig.

Der jüdische König Zidkijahu, der zufällig dabei war, konnte dieses Verhalten keinesfalls billigen. Denn nach der Tora ist es nicht nur verboten, ein lebendes Tier zu essen (aufgrund der sieben Noachidischen Gebote), sondern auch die »spielerische« Jagd, in der Tiere allein zum Spaß geschossen werden, ist verpönt.

Dazu schreibt Rabbi Jecheskel Landau aus Prag (1713–1793): »Und man darf sich doch überhaupt sehr wundern, wie jemand denken könnte, dass die höfische Jagd erlaubt sei. In der ganzen Heiligen Schrift finden wir nur zwei Jäger, (die Bösewichte) Nimrod und Esaw. Den Nachkommen Awrahams, Jizchaks und Jakows ziemt (die Jagd) also nicht. Wie sollte daher ein Jude mit seinen eigenen Händen ein Tier auf der Jagd töten ohne irgendeinen Nutzen, nur um den Gelüsten seiner Langeweile nachzugehen?«

Zidkijahu konnte also Nebukadnezars Hasenmahl nur anstößig finden. Denn wie Rabbi Landau hier bemerkt, waren die beiden prominentesten Jäger des Tanach besonders negative Figuren, die für Gewalt und Herrschsucht stehen.

Jagd Der erste Jäger ist Nimrod. Von ihm berichtet der Midrasch, dass er gnadenlos Sklavenheere mobilisierte, um den Turm zu Babel zu bauen und sich als Gottkönig ausrufen zu lassen.

Der zweite Jäger ist Jakows Zwillingsbruder Esaw, über den in einer prophetischen Weissagung gesagt wird, dass er einst »durch sein Schwert leben wird« (1. Buch Mose 27,40). Seine Nachkommen kultivierten das Jagdtum schließlich zu rachedurstiger Grausamkeit.

Genau wie Nimrod und Esaw wurde nun auch Nebukadnezar durch seine Jagdabenteuer zur Grausamkeit verführt, erst gegenüber einem Hasen, später dann gegenüber den Völkern der Levante, die er mit Krieg überzog.

Genau wie Nimrod und Esaw wurde nun auch Nebukadnezar durch seine Jagdabenteuer zur Grausamkeit verführt.

So weit kann die Jagd also führen! Doch noch eine andere moralische Lektion lehrt uns der Talmud hier: Nebukadnezar war in einer Hinsicht besser als Nimrod und Esaw. Denn als der babylonische König den verwunderten Zidkijahu erblickte, erkannte er, dass er zu weit gegangen war.

Dieser kurze Moment der Scham war laut unseren Weisen äußerst wertvoll. Es war eine einmalige Chance für Zidkijahu, die Zerstörung Jerusalems noch zu verhindern. Doch wie der Talmud uns erzählt, konnte Zidkijahu leider seinen Mund nicht halten.

Jom Kippur

Zehntausende an der Klagemauer

Rund 100.000 Menschen haben vor Jom Kippur am heiligsten Ort gebetet

 24.09.2023

Fasten

Der Erdenschwere entkommen

Auf körperliche Bedürfnisse zu verzichten, führt zur spirituellen Konzentration auf die Buße

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  23.09.2023

Einführung

Jom Kippur für Anfänger

Was Jüdinnen und Juden beachten sollten, um den Versöhnungstag erträglicher zu gestalten

von Rabbiner Elischa Portnoy  23.09.2023

Neʼila

Die ganze Schönheit von G’ttes Schöpfung

Was die Geschichte einer kanadischen Familie mit der strahlenden Wahrheit des himmlischen Lichts zu tun hat

von Rabbiner Yehuda Teichtal  23.09.2023

Ha’asinu

Die eigene Arroganz besiegen

Vor zwei Zeugen sollte man immer aufrichtig sein: vor dem Ewigen und vor sich selbst

von Gabriel Umarov  22.09.2023

Talmudisches

Die Farbe Weiß

Was unsere Weisen darüber lehrten

von Chajm Guski  22.09.2023

Umkehr

Verzeihung – für uns selbst

Der Wille zur Veränderung sollte uns nicht nur an Jom Kippur, sondern das ganze Jahr begleiten

von Rabbinerin Yael Deusel  21.09.2023

Sachsen-Anhalt

Jüdischer Kalender veröffentlicht

Ministerpräsident Haseloff ist froh über die bevorstehende Fertigstellung zweier Synagogen

 19.09.2023

Rabbinerkonferenz

Hauptsitz in München eröffnet

Oberrabbiner und CER-Präsident Pinchas Goldschmidt: Verlegung des CER-Hauptsitzes symbolisiert Hoffnung

 19.09.2023