Talmudisches

Vom schlechten Ansehen der Raben

Foto: Getty Images/iStockphoto

Talmudisches

Vom schlechten Ansehen der Raben

Was unsere Weisen über diese Vögel lehrten

von Chajm Guski  09.12.2022 09:07 Uhr

Der Rabe ist der erste Vogel, der in der Tora namentlich genannt wird (1. Buch Mose 8,7). Laut Resch Lakisch (Sanhedrin 108b) geschah dies nicht zur Freude des Raben: »Eine treffende Antwort gab der Rabe dem Noach. Er sprach nämlich zu ihm: ›Dein Herr hasst mich, und du hasst mich ebenfalls. Dein Herr hasst mich: von den reinen Tieren je sieben und von den unreinen je zwei. Du hasst mich ebenfalls, denn du belässt die Arten, von denen in der Arche je sieben vorhanden sind, und diejenigen, von denen nur je zwei vorhanden sind, schickst du weg. Wenn mich der Fürst der Hitze oder der Fürst der Kälte anfährt, so fehlt ja ein Geschöpf auf der Welt; oder hast du vielleicht Verlangen nach meiner Frau?«

Ohne Rabenmann kein Nachwuchs. Noach antwortet: »Ruchloser, wenn mir der Verkehr verboten ist, der eigentlich sonst erlaubt ist, um wie viel mehr wäre mir jetzt der verbotene nicht erlaubt?«

paarung Noach spielt damit darauf an, dass laut dem Talmud die Paarung auf der Arche verboten gewesen ist. Weiter heißt es: »Die Weisen lehrten: Drei verstießen gegen diese Anweisung und hatten in der Arche Verkehr, und alle wurden dafür bestraft. Es sind dies: der Hund, der Rabe und Cham, der Sohn Noahs.«

Der Ruf des Raben war also recht zweifelhaft. Es hieß, Raben kümmerten sich nicht um ihren Nachwuchs. Im Traktat Ketubot (49b) wird aus Psalm 147,9 zitiert, dass der Ewige »die jungen Raben, die da rufen«, füttere. Damit soll gesagt werden, dies wäre ja nicht notwendig, wenn es die Eltern der jungen Raben täten.

Den Rabbinen galt der Rabe auch als Lügner.

Selbst über die gute Tat der Raben, die den Propheten Elijahu mit Fleisch versorgten, als er sich nicht selbst darum kümmern konnte und im Wadi Cherit verstecken musste, wird ein Schatten gelegt: So verweist Chullin (5a) auf den Satz: »Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch morgens und Brot und Fleisch abends« (1. Könige 17,6). Rabbi Anan sagt, das Fleisch hätten die Raben aus der Küche des Abtrünnigen Ahab gebracht.

blut In Bawa Batra (22a) wird der Laut der Raben nachgeahmt. Es heißt dort, Rabbi Josef hatte Dattelpalmen, unter denen Bader ihre Kunden zur Ader ließen. Da seien Raben gekommen, die vom Blut fraßen, dann auf die Bäume flogen und die Datteln beschädigten. Da sprach Rabbi Josef: »Schafft mir die Kur-Kur von hier fort.«

Dieses Geräusch wurde als schlechtes Zeichen gedeutet. So heißt es in Schabbat 67b, einige hätten auf ein Krähen reagiert: »Spricht jemand zu einem Raben: Kreische, und zu einem weiblichen Raben: Zische und kehre mir deinen Schwanz zum Guten, so ist dies als emoritischer Brauch zu betrachten.«

Von Rabbi Ilisch wird erzählt (Gittin 45a), er habe einmal im Gefängnis gesessen und mit ihm ein Mann, der die Sprache der Vögel verstehen konnte. Da sei ein Rabe gekommen und hätte nach Rabbi Ilisch gerufen. Dieser sprach zu dem Mann: »Was sagt der Rabe?« Der Vogelversteher antwortete: »Ilisch, flieh! Ilisch, flieh!« Aber Rabbiner Ilisch antwortete: »Es ist nur ein lügender Rabe – ich verlasse mich nicht auf ihn.« Daher versuchte er die Flucht erst, als eine Taube mit derselben Botschaft kam.

spitzen Den Rabbinen galt der Rabe also auch als Lügner. Sie diskutieren im Traktat Schabbat (90a) die Verwendung von Eisen für den Tempel und fragten, wofür dies verwendet würde. Rabbiner Josef antwortet: »Als Rabenschutz.« Man sicherte das Tempeldach mit eisernen Spitzen, damit Raben sich nicht darauf niederließen.

Doch obwohl das Image der Raben schlecht war, lehrten doch die Weisen: »Die Angehörigen dreier Gruppen lieben einander: Konvertiten, Sklaven und Raben« (Pessachim 113b).

Israel

Rabbiner verhindert Anschlag auf Generalstaatsanwältin

Ein Mann hatte den früheren Oberrabbiner Jitzchak Josef um dessen religiöse Zustimmung zur »Tötung eines Aggressors« ersucht. Die Hintergründe

 24.08.2025

Re'eh

Freude, die verbindet

Die Tora zeigt am Beispiel der Feiertage, wie die Gemeinsamkeit gestärkt werden kann

von Vyacheslav Dobrovych  22.08.2025

Elul

Der erste Ton des Schofars

Zwischen Alltag und Heiligkeit: Der letzte Monat vor dem Neujahr lädt uns ein, das Wunderhafte im Gewöhnlichen zu entdecken

von Rabbiner Raphael Evers  22.08.2025

Talmudisches

Positiv auf andere schauen

Was unsere Weisen über den Schutz vor bösem Gerede und die Kraft positiver Gedanken lehren

von Diana Kaplan  21.08.2025

Naturphänomene

Entzauberung des Gewitters

Blitz und Donnergrollen wurden lange als Zorn der Götter gedeutet. Doch die Tora beendete diesen Mythos

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  21.08.2025

Fulda

Vor 80 Jahren - Schuldbekenntnis der Bischöfe nach dem Krieg

Sie stand im Zenit ihres Ansehens. Nach Kriegsende galt die katholische Kirche in Deutschland als moralische Macht. Vor 80 Jahren formulierten die Bischöfe ein Schuldbekenntnis, das Raum für Interpretationen ließ

von Christoph Arens  18.08.2025

Ekew

Nach dem Essen

Wie uns das Tischgebet lehrt, bewusster und hoffnungsvoller durchs Leben zu gehen

von Avi Frenkel  15.08.2025

Talmudisches

Granatapfel

Was unsere Weisen über das Sinnbild der Fülle lehren

von Chajm Guski  15.08.2025

Geschichte

Quellen des Humanismus

Wie das Gʼttesbild der jüdischen Mystik die Renaissance beeinflusste

von Vyacheslav Dobrovych  14.08.2025