Talmudisches

Verloren und gefunden

Wer war zuerst da? Foto: Getty Images/iStockphoto

In der Tora wie auch in der talmudi­schen Literatur lesen wir viel darüber, wie man mit verlorenen beziehungsweise gefundenen fremden Gegenständen und sogar Tieren, die sich verlaufen haben, umgehen soll. Das Gebot der Tora schreibt im 5. Buch Mose die bedingungslose Rückgabe dieser Funde vor.

Schmuck Im Talmud Jeruschalmi (Baba Mezia II, 5,8c) lesen wir von dem Gelehrten Rabbi Schmuel bar Susarti, der gerade nach Rom gezogen war, als dort die Frau des Kaisers ihren Schmuck verloren hatte. Rabbi Schmuel fand den Schmuck. Die Kaiserin ließ im ganzen Land ausrufen: Wer innerhalb von 30 Tagen den Schmuck zurückgibt, erhält einen bestimmten Finderlohn – wer den Schmuck aber erst nach Ablauf der 30 Tage zurückgibt, dem wird der Kopf abgeschlagen.

Der Rabbi ließ die 30 Tage verstreichen und lieferte den Schmuck erst ab, nachdem diese Frist vergangen war. Die Frau des Kaisers fragte ihn: »Bist du außer Landes gewesen?« Der Rabbi erwiderte: »Nein, ich war vor Ort in Rom.« Die Kaiserin fragte weiter: »Hast du vielleicht nicht von meinem Befehl gehört?« Der Rabbi sagte: »Doch, er wurde mir bekannt.« Da fragte sie ihn: »Warum hast du den Fund dann nicht innerhalb der festgesetzten Frist zurückgegeben?« Er antwortete: »Man soll nicht sagen, ich hätte den Schmuck aus Furcht vor dir zurückgegeben, sondern allein aus Furcht vor G’tt!« Da rief die Kaiserin aus: »Gelobt sei der G’tt Israels!«

Eine Erzählung zu dieser Thematik aus dem Babylonischen Talmud (Taanit 25a) zeigt, wie ernst und wichtig das Gebot genommen wird, wenn es darum geht, verlaufene Tiere den rechtmäßigen Eigentümern zurückzuführen.

ZIEGE So wird von dem bedeutenden Gelehr­ten Chanina Ben Dossa berichtet. Dieser berühmte Rabbi lebte vor knapp 2000 Jahren im alten Israel. Rabbi Chanina galt als sehr arm. Und so wunderten sich die Nachbarn, als sie aus seinem Anwesen das Blöken einer Ziege hörten. Woher hatte der arme Rabbi plötzlich eine Ziege?

Als er gefragt wurde, gab Rabbi Chanina bereitwillig Auskunft: Vor längerer Zeit seien vor seinem Haus, aus einer Kutsche, mehrere Küken entkommen. Er, Rabbi Chanina, hätte sie zu sich genommen und den Eigentümer der Küken gesucht. Jedoch habe er niemanden gefunden, der diese Küken vermisst hätte. Wochen vergingen, und aus den kleinen Küken wurden große Hühner.

Es versteht sich von selbst, dass die Frau des Rabbis die Eier in der Küche verwerten wollte. Doch ihr Mann ließ das nicht zu. So schlüpften aus diesen Eiern wieder Küken – so viele, dass die Familie nach einer Weile vor lauter Hühnern im eigenen Haus kaum noch Platz für sich hatte.

Da musste der Rabbi handeln: Er verkaufte ein paar Hühner und besorgte sich von dem Erlös eine Ziege. Dies bekamen seine Nachbarn mit, denn die Ziege machte sich durch ihr Blöken bemerkbar.

Eines Tages bekommt Rabbi Chanina ben Dossa zu Ohren, dass jemand vor seinem Haus Küken verloren hätte. Der Rabbi geht der Sache nach und ist sich sicher, dass er es mit dem rechtmäßigen Besitzer der Hühner zu tun hat. Also gibt er ihm die Ziege, die er sich einst durch den Verkauf der Hühner zugelegt hatte.

Toldot

An Prüfungen wachsen

Warum unsere biblischen Ureltern Hungersnöte und andere Herausforderungen erleben mussten

von Vyacheslav Dobrovych  20.11.2025

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  20.11.2025

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

Talmudisches

Torastudium oder weltliche Arbeit?

Was unsere Weisen über das rechte Maß zwischen Geist und Alltag lehren

von Detlef David Kauschke  14.11.2025

Chaje Sara

Bewusster leben

Sara hat gezeigt, dass jeder Moment zählt. Sogar ihr Schlaf diente einem höheren Ziel

von Samuel Kantorovych  13.11.2025