Talmudisches

Tora, Wein und Schönheit

Antike Weinamphore Foto: Getty Images

Talmudisches

Tora, Wein und Schönheit

Wie Cäsars Tochter nach der äußerlichen Attraktivität von Gelehrten fragte

von Noemi Berger  03.04.2020 08:34 Uhr

Im Talmud, Traktat Taanit 7ab, wird die durchaus interessante, aber auch sehr merkwürdige Frage gestellt, ob ein Tora­gelehrter auch äußerlich attraktiv sein soll.

Rabbi Oschaja ist der Meinung, dass wir das nicht erwarten können. Oschaja war ein Weiser aus der Stadt Tirija. Er hatte in seiner Generation einen großen Namen als frommer Mann und war für seine Führung, Ehrlichkeit und tiefe Religiosität bekannt. Über ihn lesen wir im Midrasch: Seine angenehmen Wege erweckten unter den Menschen eine Liebe zu G’tt (Wajikra Rabba 30).

Flüssigkeiten Rabbi Oschaja bringt ein Beispiel, um seinen Standpunkt zur inneren und äußeren Schönheit zu vertiefen. Dabei weist er darauf hin, dass die Tora mit dreierlei Flüssigkeiten verglichen wird – mit Wasser, mit Wein und mit Milch. Er erklärt, dass man alle diese Flüssigkeiten am besten in einfachen Tongefäßen aufbewahrt.

Maimonides, der Rambam (1138−1204), lehrt in seinem Werk Hilchot Talmud Tora (3,9), dass wir nicht erwarten sollten, dass die Tora bei hochmütigen und egoistischen Menschen zu finden ist, sondern eher bei denen, die genügsam und bescheiden sind.

WEisheit Hierzu erzählt der Talmud eine Begebenheit. Sie handelt von der Tochter des Cäsar, die sich Rabbi Jehoschua ben Chananija näherte, ihn von oben bis unten musterte und ihn dann fragte: »Wie kommt es, G’tt, dass Deine Weisheit in einem so hässlichen Gefäß wirken kann?«

Rabbi Jehoschua, der dafür bekannt war, recht unansehnlich zu sein, wies Cäsars Tochter darauf hin, dass man den teuersten Wein im Hause ihres Vaters in Tonwaren aufbewahrt.

Er fragte sie, warum wohl die kostbaren Weine nicht in Gefäßen aus Gold und Silber lagerten. Sie dachte einen Augenblick darüber nach und fand keine Antwort.

Vorschlag Doch die Frage des Rabbis ging ihr nicht aus dem Kopf, genauso wie sein Vorschlag, den Versuch zu unternehmen, den Wein aus den tönernen doch in ganz besonders schöne, kostbare Gefäße umzufüllen.

Sie nahm seinen Vorschlag sehr ernst, ging zurück in den kaiserlichen Palast und bat ihren Vater zu befehlen, dass von nun an der gesamte Wein des kaiserlichen Hofes in Gold- und Silbergefäßen aufzubewahren sei.

Nach kurzer Zeit stellte man jedoch fest, dass sowohl der Weiß- als auch der Rotwein verdorben war.

Gefäss Die Frage der Tochter Cäsars an Rabbi Jehoschua nach der Wichtigkeit von äußerer und innerer Schönheit war eigentlich nicht leichtsinnig oder böse gemeint. Sie fragte sich, warum G’tt die schönen Worte der Tora ausgerechnet in einem unansehnlichen »Gefäß« aufbewahren wollte. Wäre es nicht angemessener, die Tora in einem schönen »Gefäß« aufzuheben?

Und sie dachte über die Frage nach, wenn der Wein bei Tisch in Silberkelchen serviert wird, warum man ihn dann nicht auch länger in solch edlen Gefäßen lagert. Ihr Experiment zeigte jedoch, dass Wein in einem Gold- oder Silberbecher wohl für eine kurze Zeit aufbewahrt werden kann, aber nicht über einen längeren Zeitraum.

Rabbi Jehoschua wollte damit andeuten, dass es vielleicht eine genussvolle Idee ist, eine kurze Lektion Tora aus dem Munde eines gut aussehenden Menschen zu hören, dass aber für ein langfristiges und umfangreiches Torastudium ein einfacherer »Behälter« eine ganz andere Wirkung zeigt. Denn die Aufmerksamkeit gilt dann nicht den Äußerlichkeiten, sondern einzig und allein der inneren Schönheit der Worte der Tora.

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025

Trauer

Eine Brücke zwischen den Welten

Wenn ein Jude stirbt, gibt es viele hilfreiche Riten. Doch auch für Nichtjuden zeigt die Halacha Wege auf

von Rabbiner Avraham Radbil  05.09.2025

Ki Teze

In Seinem Ebenbild

Was der Tanach über die gesellschaftliche Stellung von Frauen sagt

von Rabbinerin Yael Deusel  04.09.2025

Anti-Judaismus

Friedman: Kirche hat »erste globale Fake News« verbreitet

Der gebürtige Pariser warnte zudem vor weltweiten autokratischen Tendenzen und dem Verlust der Freiheit

 02.09.2025