Wischnitzer

Tod des Patriarchen

Die Emotionen schlugen hoch in Kiryat Vishnitz. Einige Dutzend Männer wurden im Gedränge vor dem Zentrum der Wischnitzer Chassiden verletzt, andere mussten ohnmächtig weggetragen werden, als die Nachricht vom Tod des geistigen Führers in dem Teil der israelischen Stadt Bnei Brak bekannt wurde, wo viele seiner Anhänger leben.

Der Rebbe der aus Rumänien stammenden Wischnitzer Dynastie, Rabbiner Moshe Yehoshua Hager sel. A., starb am Dienstag vergangener Woche im Alter von 95 Jahren an Altersschwäche und den Folgen der Alzheimerkrankheit.

An der Beisetzung des 1972 ernannten »fünften Admors« der chassidischen Gruppe nahmen Tausende seiner Gefolgsleute teil. Zehntausende befolgten in ganz Israel und in den Betstuben der Gemeinschaft rund um den Erdball den Aufruf zu einem Trauertag im Gedenken an den Rebben.

Verlust Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte seine Trauer: »Der Tod des Rebben ist ein großer Verlust für das Judentum und das israelische Volk.« Und Israels ehemaliger aschkenasische Oberrabbiner Israel Meir Lau betonte: »Der Wischnitzer Rebbe wird uns immer in Erinnerung bleiben, denn er hat den noblen Zweig der Wischnitzer Juden aus der Asche des Holocausts im wiederaufgebauten Land Israel errichtet.«

Neben dem Schock über die Nachricht vom Ableben des Rebben macht sich auch Verunsicherung über die religiöse Zukunft unter den rund 5.000 Wischnitzer-Familien breit. Zwar war der seit 1972 amtierende Admor bis zu seinem Tod formal das Oberhaupt, aber schon vor Jahren hatten die beiden Söhne aufgrund der Krankheit ihres Vaters die Leitung übernommen.

Versöhnung Mit fatalen Folgen. Sehr schnell hatte sich das Führungsduo Yisroel und Menachem Mendel Hager dermaßen zerstritten, dass die Wischnitzer heute in zwei Lager aufgespalten sind. Israelische Medien berichten unter Berufung auf chassidische Kreise, dass die Brüder sich am Grab des Vaters wieder versöhnt hätten. Die ultraorthodoxe Website »Behadrei Haredim« meldet, dass beide Söhne als »Wischnitzer Rebben« ihren Vater beerben werden.

Rabbiner Moshe Yehoshua Hager wurde 1916 im damaligen Rumänien als der älteste Sohn des damaligen Rebben von Wischnitz, Chaim Meir Hager, geboren. Bereits mit 18 Jahren wurde er von seinem Vater als Rebbe der ungarischen Stadt Vilchovitz berufen.

1944 floh die Familie aus der von der deutschen Wehrmacht besetzten Stadt. Nach einer sechsmonatigen Odyssee erreichten sie Haifa, wo es eine kleine Gemeinschaft ihrer Chassiden gab. Chaim Meir Hager, der »Imrei Chaim«, eine charismatische Persönlichkeit, sammelte schnell »Rechtgläubige« um sich. Schulen und Jeschiwot, Synagogen und Betstuben wurden gegründet.

Vyzhnytsia Mit inzwischen 5.000 Anhängern bilden die Wischnitzer die zweitgrößte chassidische Gruppe nach der aus Polen stammende Chassidut Gur. Ihre Heimat liegt in der gleichnamigen Kleinstadt (Vyzhnytsia) in der heutigen Ukraine.

Der verstorbene Moshe Yehoshua Hager, der schon zu Lebzeiten seines Vaters dessen rechte Hand war und der das Amt des Rebben nach dessen Tod 1972 übernahm, hat aber wesentlich zur Wiederbelebung der chassidischen Bewegung beigetragen, die ihm ihre Stärke und ihren Einfluss zu verdanken hat. Hager war bis zuletzt Präsident des Rats der Toraweisen der Agudat Israel.

Moshe Yehoshua Hager hinterlässt seine Frau, Sheindel, seine beiden Söhne und vier Töchter, die alle wiederum mit bedeutenden chassidischen Rabbinern verheiratet sind. Er wurde neben dem Grab seines Vaters im Ohel Admorei Vishnitz in Bnei Brak beigesetzt.

Toldot

Jäger und Kämpfer

Warum Jizchak seinen Sohn Esaw und nicht dessen Bruder Jakow segnen wollte

von Rabbiner Bryan Weisz  29.11.2024

Talmudisches

Elf Richtlinien

Wie unsere Weisen Psalm 15 auslegten

von Yizhak Ahren  29.11.2024

Ethik

»Freue dich nicht, wenn dein Feind fällt«

Manche Israelis feiern auf den Straßen, wenn Terroristenführer getötet werden. Doch es gibt rabbinische Auslegungen, die jene Freude über den Tod von Feinden kritisch sehen

von Rabbiner Dovid Gernetz  29.11.2024

Potsdam

In der Tradition des liberalen deutschen Judentums

Die Nathan Peter Levinson Stiftung erinnerte an ihren Namensgeber

 28.11.2024

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  28.11.2024

Berlin

Spendenkampagne für House of One startet

Unter dem Dach des House of One sollen künftig eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee Platz finden

von Bettina Gabbe, Jens Büttner  25.11.2024

Chaje Sara

Handeln für Generationen

Was ein Grundstückskauf und eine Eheanbahnung mit der Bindung zum Heiligen Land zu tun haben

von Rabbiner Joel Berger  22.11.2024

Talmudisches

Elefant

Was unsere Weisen über die Dickhäuter lehrten

von Rabbiner Netanel Olhoeft  22.11.2024

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Josh Spinner und Josef Schuster über die orthodoxe Rabbinerausbildung

von Mascha Malburg  21.11.2024