Wieso Weshalb Warum

Teschuwa

Teschuwa heißt umkehren. Foto: Getty

Teschuwa – dieser Begriff wird uns im Monat Elul und in der Zeit zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur häufiger begegnen. In Ansprachen und Texten zu den Hohen Feiertagen wird demnächst darüber gesprochen werden, und wir lesen das Wort in den Gebeten.

Treten wir einen Schritt zurück und schauen, was der Begriff eigentlich bedeutet und wie er verwendet wird. Wörtlich übersetzen könnte man ihn mit »Buße« oder »Umkehr«, wie wir es in einigen Gebetbüchern für die Hohen Feiertage lesen. Tatsächlich kommt »Teschuwa« aber von dem hebräischen Verb »schuw«, und das bedeutet »zurückkommen« oder »wiederherstellen«. Aber wie ist das gedacht? Wohin sollte man zurückkehren? Zu seinem alten Leben, nur ohne schlechte Dinge?

Anleitung Im Talmud (Nedarim 39b) heißt es, die Teschuwa sei vor der eigentlichen Welt erschaffen worden. Das bedeutet, dass ohne diesen Baustein der Schöpfung die Welt nicht bestehen könnte. Das klingt wichtig. Wenn es aber so wichtig ist, warum ist dann nirgendwo im Machsor eine Definition zu finden, fehlt es an jeglicher Art Anleitung für die Teschuwa?

Existenziell wird es, wenn wir eine Tosefta zu Joma 4,9 lesen. Dort heißt es, dass das Sündopfer, das Schuldopfer, der Tod oder Jom Kippur nur dann sühnen, wenn der jeweilige Mensch vorher Teschuwa gemacht hat. Wir merken schon: Ein großes »Tut mir leid« scheint nicht zu reichen.

Das Prinzip der Teschuwa finden wir beim Propheten Jechezkel: »Der Sünder aber, der ablässt von allen seinen Sünden, die er beging, und alle meine Satzungen beachtet und tut, was gerecht und richtig ist, der lebt und stirbt nicht« (18, 21-23). Maimonides, der Rambam (1135–1204), beschreibt in den Hilchot Teschuwa (1,1), wie das im Detail aussieht: Man erkennt seine schlechten Taten, bereut sie, verpflichtet sich, sie nicht zu wiederholen und erklärt dies mündlich vor G’tt.

Rabbiner Josef Soloveitchik (1903–1993) erklärt uns dies noch etwas konkreter. Die Teschuwa sei ein aktiver Akt der Rückkehr zu G’tt und seinen Mizwot, schreibt er in dem Buch Der halachische Mensch. Der Einzelne erschafft in diesem Prozess ein vollkommen neues »Ich«, und genau dies erklärt, warum es keine einheitliche Anleitung dafür gibt, wie man Teschuwa machen soll. Sie bezieht sich auf jeden Menschen individuell. Deshalb gibt es kein spezielles Teschuwa-Gebet und kein spezielles Teschuwa-Opfer, sondern »nur« die Hinwendung zu G’ttes Satzungen mit der gesamten Existenz. Das ist ja auch schon recht viel!

gericht Natürlich ist die Umkehr immer möglich, aber die Zeit zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur wird als ideal betrachtet, nicht nur wegen des anstehenden Gerichts, sondern auch, weil es heißt: »Suchet G’tt, wenn er nahe ist« (Jeschajahu 55,6). Und dies sei der Fall in ebenjener Zeit. So heißt es jedenfalls im Talmud (Rosch Haschana 18a) und bei Maimonides in den Hilchot Teschuwa (2,6).

Auch im übertragenen Sinne kann es offenbar nie zu spät sein. So sagt uns der Talmud, dass selbst die größten Zaddikim nicht an der Stelle stehen können, die jemand einnimmt, der Teschuwa gemacht hat (Berachot 34b).

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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