Halloween

Süßes oder Saures?

Kürbiskopf fürs Totenfest Foto: Getty Images

Manchmal frage ich mich, wie ich einem orthodoxen Bekannten in Israel Halloween erklären würde. Das Fest wird dort unter der traditionellen und auch der säkularen Bevölkerung kaum begangen. In den USA hingegen ist Halloween auch unter säkularen Juden ein Hype.

Bei orthodoxen Juden ist das Feiern von Halloween jedoch nicht üblich, ja laut den meisten halachischen Autoritäten sogar untersagt. Warum aber sollte es ein halachisches Problem darstellen, wenn sich Menschen als Skelett verkleiden und »Süßes oder Saures« rufen?

Götzendienst Die Tora (3. Buch Mose 18,3) verbietet es, nichtjüdische Traditionen und Rituale zu befolgen (Chukat Akum). Darüber, wie dieses Verbot zu befolgen ist, waren die Gelehrten des Mittelalters unterschiedlicher Meinung.

Sie unterteilten dieses Verbot in zwei Kategorien: in Handlungen, die mit Götzendienst und Paganismus in Verbindung stehen, sowie in grundlose und sinnlose Tätigkeiten, die keinen religiösen Bezug haben. Rabbenu Nissim von Gerona (1320–1380) und Joseph Colon Trabotto (1420–1480) argumentieren, dass nur Tätigkeiten, die mit Götzendienst und Paganismus in Verbindung stehen, untersagt sind.

Obwohl Rabbi Mosche Isserles (1530–1572) in seinem Kommentar zum Schulchan Aruch der zweiten Meinung folgt, verbietet auch er Handlungen, für die es keine rationale Erklärung gibt, weil wir befürchten, dass sie mit Götzendienst verbunden sind.

heidnisch Auch wenn Halloween heute für die überwiegende Mehrheit der Menschen überhaupt keine religiöse Bedeutung hat, ist das Fest zweifelsfrei heidnischen Ursprungs. Die Kelten glaubten, dass am 31. Oktober, dem letzten Tag ihres Kalenders, die Seelen der Verstorbenen erscheinen, um ihr Unwesen zu treiben.

Sie nannten diesen Tag »Samhain«: Druiden zündeten Lagerfeuer an, man trug Kostüme aus Tierköpfen und Tierhäuten, um sich vor bösen Geistern zu schützen. Nachdem die keltischen Länder im ersten Jahrhundert n.d.Z. von den Römern erobert worden waren, legten die Römer fest, »Feralia«, den römischen Feiertag der Toten, zusammen mit dem keltischen »Samhain« zu feiern.

Das Christentum, das sich im 8. Jahrhundert in den keltischen Ländern verbreitet hatte, versuchte mit aller Macht, das Heidentum zu bekämpfen. Um die keltischen und römischen Feiertage »Samhain« und »Feralia« zu verdrängen, wurde der 1. November zum Tag »aller Heiligen« erklärt und die Nacht davor zum »All Hallows Eve«, dem Abend vor Allerheiligen. Davon leitet sich der Name »Halloween« ab.

Totenfest Die Beschreibung des Religionsethnologen James Frazer (1854–1941), Halloween sei ein »altes heidnisches Totenfest mit einer dünnen christlichen Hülle«, trifft den Nagel auf den Kopf. Irische Immigranten brachten Halloween schließlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die USA, und von dort aus verbreitete sich die amerikanische (säkulare) Version von Halloween, so wie wir sie heute kennen, in der westlichen Kultur.

Dennoch stammen alle Bräuche, die heutzutage an Halloween gepflegt werden, von den christlichen und heidnischen Vorgängern dieses Feiertags ab: Das Verkleiden mit angsteinflößenden Kostümen stammt von den Kelten, die sich, wie schon erwähnt, in Tierköpfe und Tierhäute kleideten, um die bösen Geister abzuschrecken. Und »Süßes oder Saures« ist die moderne Version der »Seelenkuchen« (Soul Cakes), um welche die Bedürftigen bei den Feierlichkeiten an Allerheiligen bettelten.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die meisten halachischen Autoritäten das Feiern von Halloween mit seinen vermeintlich harmlosen Bräuchen verbieten. Jedoch betonen sie, dass es durchaus erlaubt sei, »Süßes« zu geben, wenn Kinder an der Tür klingeln, weil es andernfalls zu vermehrtem Antisemitismus und mancherorts sogar zu Vandalismus (»Saures«) führen könnte. Doch Juden, die Kostüme und Süßigkeiten mögen, müssen sich bis Purim gedulden.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025