Talmudisches

Später Lohn

Weil er seinen Dienstherrn treu und wohlwollend beurteilt hat, erhält der arme Mann in der talmudischen Geschichte eine zusätzliche Belohnung. Foto: Getty Images / istock

Der Talmud erzählt im Traktat Schabbat 127b von einem armen Mann, der in einem Dorf im Norden Galiläas lebte. Jeden Tag ging er hinaus und suchte Arbeit, um seine Familie zu ernähren. Aber er hatte keinen Erfolg und auch keinerlei Aussicht, Arbeit zu finden.

Da hörte er, dass ein reicher Mann in Südgaliläa einen Arbeiter sucht. Sofort machte er sich auf den Weg dahin. Als er ankam, brachte man ihn zum Meister, der ihn für den Zeitraum von drei Jahren anstellte.

Dienstherr Am Ende der drei Jahre war es an der Zeit zu gehen, und er bat seinen Herrn um den ihm zustehenden Lohn. »Es tut mir leid, ich habe kein Geld«, sagte sein Dienstherr.

»Dann gib mir doch wenigstens Getreide entsprechend meinem Lohn«, sagte der Arbeiter.

»Ich habe auch kein Getreide«, antwortete der Herr. Da bat der arme Mann um Vieh, dann um Land, um Wein, um einen Anteil an einem Weinberg und zuletzt um Obst. Doch der Arbeitgeber lehnte jede seiner Bitten ab: »Ich habe es nicht.«

Niedergeschlagen, enttäuscht und traurig packte der arme Arbeiter seine Siebensachen in eine Tasche und machte sich auf den Weg zu seiner Familie in das kleine Dorf in Nordgaliläa.

gaben Kurze Zeit, nachdem der Mann gegangen war, nahm sein Dienstherr drei Esel und belud sie mit köstlichen Speisen, mit den feinsten Likören, wohl duftenden Gewürzen, eleganten Kleidern und packte obendrein einen Beutel mit dem Lohn für drei Jahre Arbeit ein, die dem Mann zustanden.

Der Herr verabschiedete sich von seiner Frau und machte sich auf die Reise in den Norden. Als er ankam, fand er eine baufällige Hütte vor, in der sein ehemaliger Arbeiter mit dessen Familie wohnte.

Der Dienstherr wurde von seinem früheren Angestellten freundlich begrüßt, ins Haus gebeten und, so gut es ging, mit ein wenig Brot und Käse bewirtet.

Schulden Nachdem sie zusammen gegessen hat­ten, fragte der einstige Arbeitgeber: »Was hast du gedacht, als ich dir sagte, ich hätte kein Geld, um dir deinen Lohn zu bezahlen?« »Ich dachte«, antwortete der Arbeiter, »dass du vielleicht ein Geschäft abgeschlossen und all dein Geld, auch das, welches du mir schuldest und sicherlich schon vorbereitet hattest, dafür ausgegeben hast.«

»Und als ich dir sagte, ich hätte kein Land?« »Da dachte ich, du hättest es an jemanden verkauft, bei dem du Schulden hattest und der einen größeren Anspruch darauf hatte als ich.«

Der Dienstherr fragte weiter: »Und als ich dir sagte, ich hätte keine Früchte – was hast du da gedacht?«

»Ich dachte, du hättest vielleicht noch nicht die Zehntelabgabe für den Tempel entrichtet und bräuchtest das Geld dafür.«

»Aber was hast du gedacht, als ich dir sagte, ich hätte weder einen Weinberg noch Wein?«

»Ich dachte, vielleicht hast du alle deine Besitztümer dem Heiligen Tempel gespendet und warst daher nicht imstande, meine Bitte um den Lohn zu erfüllen.«

Anerkennung »Ah«, antwortete der Arbeitgeber, »du bist wahrlich ein frommer Mann, ein Zaddik. Unser Talmud sagt: ›Beurteile alle Menschen wohlwollend und positiv und halte dich treu an diese gute Lehre.‹ Siehe, ich habe diesen Geldbeutel voller Gold mitgebracht. Er enthält deinen Lohn. Ebenso habe ich als zusätzliche Belohnung und Anerkennung drei Esel mitgebracht, die mit Speisen, Wein, Gewürzen und Kleidung beladen sind. Das alles gehört dir. Du hast mich treu und wohlwollend beurteilt. Und was dich betrifft, so mögest du sowohl von dem Allmächtigen als auch von allen Menschen genauso wohlwollend beurteilt werden.«

Chaje Sara

Bewusster leben

Sara hat gezeigt, dass jeder Moment zählt. Sogar ihr Schlaf diente einem höheren Ziel

von Samuel Kantorovych  13.11.2025

Spurensuche

Von Moses zu Moses zu Reuven

Vor 75 Jahren starb Rabbiner Reuven Agushewitz. Er verfasste religionsphilosophische Abhandlungen mit einer Intensität, die an Maimonides und Moses Mendelssohn erinnert. Wer war dieser Mann?

von Richard Blättel  13.11.2025

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025

Talmudisches

Rabbi Meirs Befürchtung

Über die falsche Annahme, die Brachot, die vor und nach der Lesung gesprochen werden, stünden im Text der Tora

von Yizhak Ahren  07.11.2025

Festakt

Ministerin Prien: Frauen in religiösen Ämtern sind wichtiges Vorbild

In Berlin sind zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden

 06.11.2025

Chassidismus

Im Sturm der Datenflut

Was schon Rabbi Nachman über Künstliche Intelligenz wusste

von Rabbiner David Kraus  06.11.2025

Rezension

Orthodoxer Rebell

Sein Denken war so radikal, dass seine Werke nur zensiert erschienen: Ein neues Buch widmet sich den Thesen von Rabbiner Kook

von Rabbiner Igor Mendel  06.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025