Neulich beim Kiddusch

Reißverschluss zu!

Lenkt vom Gebet ab: offener Reißverschluss Foto: JA

Herzlich willkommen! Mein Name ist Beni Frenkel, und ich darf euch heute unsere Synagoge zeigen. »Synagoge« ist griechisch und bedeutet wahrscheinlich Kirche. Wer von euch war schon mal in einer Synagoge? Niemand? Und in einer Kirche? Aha, na also. Ich zähle mal durch: 1, 2, 3, … 16, 17. Herr Müller, sind alle Ihre Schüler da? Gut, dann will ich beginnen. Die Jungs greifen zuerst mal in diese Kiste da, ja, genau. Nehmt euch jeder eine Kippa, setzt sie auf eure Köpfe und versucht, sie oben zu behalten. Das macht ihr toll, super, jetzt seht ihr aus wie richtige Juden!

Kaugummi Ähm, Mädchen, mir ist das immer so peinlich, aber ihr müsst schon den Reißverschluss bis oben zumachen und den Kaugummi runterschlucken. Das gilt auch für dich dort hinten. Danke! So, jetzt gehen wir leise in die Synagoge hinein und setzen uns auf die hintersten Bänke. Übrigens, alle Handys ausschalten, Danke, Danke.

Von hier hinten sieht man nun alles Wichtige. Der dicke Mann dort vorne ist unser Rabbiner. Er kommt aus Amerika und spricht leider noch nicht richtig Deutsch. In einer knappen halben Stunde wird er zur Gemeinde sprechen. Ich bitte euch, nicht zu lachen während seines Vortrags. Eine Frage? Ja …? Mhm, gute Frage. Also, die Frauen müssen bei uns oben sitzen. Sie würden uns sonst ablenken vom Gebet. Wie bitte? Ja, auch wenn sie ihren Reißverschluss bis oben zumachen. So ist nun mal das Gesetz, okay?

Konzentrieren wir uns wieder auf die Liturgie. Wir befinden uns gerade auf Seite 67, noch sieben Seiten, und die Tora, also die Bibel, wird – ich bitte um Ruhe – also, die Bibel wird bald aus dem Schrank dort vorne herausgeholt. Herr Müller, können Sie bitte die beiden Jungen dort hinten zur Ruhe mahnen, Danke. Ja, hallo? Ja, ihr beiden dort hinten. Ihr stört uns. Scheiße, jetzt seid mal ruhig. Oh, Entschuldigung, in unserem Gotteshaus wird natürlich nicht geflucht.

Wo sind wir gerade? Seite 70. Du hältst das Gebetsbuch falsch und du, schreib bitte nichts hinein. Herr Müller, können Sie mir kurz helfen? Warum seid ihr eigentlich hier? Bitte, ruhiger, sonst müssen wir die Übung abbrechen. Scheiße, Entschuldigung! Seid jetzt bitte ruhig, verstanden?!

Fufmatag Also, in die Synagoge geht man dreimal am Tag. Wie? Hab ich akustisch nicht ganz verstanden – fufmatag? Ach so, fünfmal am Tag. Nein, das verwechselst du mit den Muslimen. Dort geht ihr nächsten Freitag hin. Wir gehen nur dreimal am Tag in unsere Synagoge. Und jetzt am Samstag, wir nennen das Schabbat, geht der Gottesdienst ein bisschen länger. Ich glaub’s nicht, Herr Müller, hat der Junge dort ganz rechts etwas in die Holzbank geritzt? Nur gespielt? Manno! Noch eine Stunde, bitte, nachher gibt’s Kuchen und Wein. Ja, richtig gehört, dann gibt’s Kiddusch. Aber nur für die, die gut zuhören und keinen Lärm machen.

Bitte? Die Frau dort oben – ja, was ist mit der? Warum soll die keinen Wein und Kuchen bekommen? Weil sie ohne Unterbrechung mit anderen redet? Ja, eigentlich hast du recht, aber das ist unsere Frau Rabbiner. Die darf das! Ungerecht? Wem sagst du das! Ungerecht ist, dass ich für die Plackerei mit euch nur 20 Euro kriege!

Talmudisches

Anti-Aging

Über natürliche Mittel gegen die Hautalterung

von Rabbinerin Yael Deusel  19.06.2025

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Beha’Alotcha

Damit es hell bleibt

Wie wir ein Feuer entzünden und dafür sorgen, dass es nicht wieder ausgeht

von Rabbiner Joel Berger  13.06.2025

Talmudisches

Dankbarkeit lernen

Unsere Weisen über Hakarat haTov, wie sie den Menschen als Individuum trägt und die Gemeinschaft zusammenhält

von Diana Kaplan  13.06.2025

Tanach

Schwergewichtige Neuauflage

Der Koren-Verlag versucht sich an einer altorientalistischen Kontextualisierung der Bibel, ohne seine orthodoxen Leser zu verschrecken

von Igor Mendel Itkin  13.06.2025

Debatte

Eine »koschere« Arbeitsmoral

Leisten die Deutschen genug? Eine jüdische Perspektive auf das Thema Faulheit

von Sophie Bigot Goldblum  12.06.2025

Nasso

Damit die Liebe bleibt

Die Tora lehrt, wie wir mit Herausforderungen in der Ehe umgehen sollen

von Rabbiner Avichai Apel  06.06.2025

Bamidbar

Kinder kriegen – trotz allem

Was das Schicksal des jüdischen Volkes in Ägypten über den Wert des Lebens verrät

von Rabbiner Avraham Radbil  30.05.2025

Schawuot

Das Geheimnis der Mizwot

Der Überlieferung nach erhielt das jüdische Volk am Wochenfest die Tora am Berg Sinai. Enthält sie 613 Gebote, oder sind es mehr? Die Gelehrten diskutieren seit Jahrhunderten darüber

von Rabbiner Dovid Gernetz  30.05.2025