Talmudisches

Rebbetzin im Geschlechterkampf

Kidduschbecher: Rav Ulla weigerte sich, einer Frau den »Kos schel Bracha« zu geben. Foto: Thinkstock

Talmudisches

Rebbetzin im Geschlechterkampf

Wie Jalta dem undankbaren Gast die Stirn bot

von Rabbinerin Yael Deusel  20.02.2017 15:42 Uhr

Das Judentum kennt von jeher starke Frauen; man denke nur an unsere Erzmütter Sara, Riwka, Lea und Rachel. Auch der Talmud erzählt uns von solchen Frauen, selbst wenn nur wenige mit Namen genannt werden.

Eine von ihnen ist Jalta, die Frau von Rav Nachman, einem Talmudgelehrten im 3. Jahrhundert n.d.Z. Ihr Vater wird im Talmud als Fürst bezeichnet, er war also ein bedeutendes jüdisches Oberhaupt. Jalta war damit zwar keine Prinzessin im heutigen Sinn, aber sie war doch aus bestem Hause, gebildet und dazu recht selbstbewusst. Sie scheute sich nicht, mit den Weisen talmudische Fragen zu diskutieren, und zeigte darin umfangreiches Wissen, einem Talmudgelehrten durchaus ebenbürtig.

Anders als die bedauernswerte Bruria hatte Jalta in Rav Nachman einen Ehemann gefunden, der sie darin respektierte. Er war sogar damit einverstanden, dass sie am Schabbat und an Festtagen in einer Sänfte getragen wurde – etwas, das nur Personen hohen Standes oder eben bedeutenden Gelehrten zugestanden wurde. Sie wiederum duldete nicht, dass man ihren Mann despektierlich behandelte oder gar seine Stellung als Richter und seine halachischen Entscheidungen anzweifelte.

Rätsel Einmal legte sie ihm ein Rätsel vor. Sie sagte zu Rav Nachman, er solle ihr Fleisch mit Milch zum Essen vorsetzen – woraufhin er für sie Kuheuter zubereiten ließ. Natürlich fand sich sofort jemand, der hierin etwas strikt Verbotenes sah. Aber es wurde dadurch immerhin eine umfangreiche Diskussion über Euter und deren korrekte Verwendung in der jüdischen Küche angestoßen. Dabei schuf Jalta aber keineswegs ihre eigene Halacha – was allerdings nicht heißt, dass sie nicht auch gelegentlich eine zweite Meinung einholte, wenn ihr die Entscheidung eines Gelehrten suspekt erschien.

Eines Tages nun war Rav Ulla Gast im Haus von Rav Nachman. Sie aßen zusammen, und als die Zeit für das Birkat Hamason kam, sprach Rav Ulla das Tischgebet und wollte den Kidduschbecher dem Hausherrn reichen, um ihm damit die gebührende Ehre zu erweisen. Der aber sagte: Gib doch bitte den Becher meiner Frau! Das passte Rav Ulla gar nicht; einer Frau sollte er den »Kos schel Bracha« geben?

Er führte eine umständliche und wenig überzeugende Erklärung dafür an, warum er ihr den Becher nicht geben könne, weil das einer Frau nicht zustehe. Und was tat Jalta? Der Mann war Gast in ihrem Haus und wagte es, sie derart herablassend zu behandeln? Sie stand auf, ging in den Keller und zerschlug 400 Weinkrüge, sodass der Wein herauslief und nicht mehr zu gebrauchen war.

Wein Der unverschämte Gast hatte sie als Frau wörtlich mit einem »leeren Gefäß« verglichen – da konnte er einmal sehen, was der Wein ohne Gefäß wert war. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass es ihr nicht um den Wein ging, sondern um die Bracha.

Schließlich sagte Rav Nachman zu Rav Ulla, er solle Jalta jetzt endlich den Kidduschbecher reichen. Doch Ulla ließ ihr von oben herab ausrichten, der ganze Wein aus dem Krug, aus dem der Wein im Kidduschbecher stammte, gelte als »gesegnet« – will sagen: Was brauchst du als Frau den Wein aus dem Kidduschbecher zu trinken und womöglich auch noch die Bracha zu sagen? Trink doch vom restlichen Wein, so viel du willst!

Jetzt war Jaltas Geduld gänzlich am Ende, und sie wurde deutlich – Gastfreundschaft hin oder her: »Von Herumtreibern kommt Geschwätz und Ungeziefer von Lumpen«, sagte sie zu Rav Ulla.

Den einen gilt Jalta als Prototyp einer reichen, verwöhnten Frau. Anderen ist sie hingegen eine Vorkämpferin für Gleichberechtigung von Mann und Frau in halachischer Autorität und Übernahme von religiösen Aufgaben.

Umfrage

Studie: Deutsche vertrauen Zentralrat der Juden signifikant mehr als der christlichen Kirche und dem Islam

Laut einer Umfrage des Forsa-Instituts vertrauen die Deutschen der jüdischen Dachorganisation mehr als dem Papst und den Kirchen

 23.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025