Talmudisches

Rabbi Safras Weingeschäft

Weinverkäufer: Rav Safra ging in seinem beispielhaften Verhalten weiter, als es die Tora von ihm verlangt. Foto: Getty

Talmudisches

Rabbi Safras Weingeschäft

Über die Aufrichtigkeit in finanziellen Dingen

von Diana Kaplan  13.09.2019 10:07 Uhr

In Tehillim (Psalm) 15 lehrt uns König David: »G’tt, wer darf weilen in Deinem Zelt, wer auf dem Berg Deines Heiligtumes wohnen? Wer in sittlicher Ganzheit wandelt und das Gerechte übt und Wahrheit spricht mit seinem Herzen.«

Der Talmud greift dieses Thema auf und erklärt, dass die Antwort drei große Persönlichkeiten aus der jüdischen Geschichte beschreibt (Makkot 24a). Im ersten Fall ist von einem Menschen wie unserem Vorvater Awraham die Rede, über den geschrieben steht: »Geh vor mir und sei ganz!« (1. Buch Mose 17,1). Mit dem, der das Gerechte übt, ist ein Mensch wie Abba Hilkijahu gemeint, der so ein gewissenhafter Arbeiter war, dass er nicht einmal seine Arbeit unterbrach, um andere Menschen zu grüßen. Und die dritte Zuschreibung bezieht sich auf einen Menschen, der so gerecht ist wie Rav Safra. An dieser Stelle erzählt der Talmud seine Geschichte.

Schma Eines Tages saß Rav Safra in seinem Haus und sagte das Schma Jisrael. Ausgerechnet da kam ein Besucher, der ihm Wein abkaufen wollte. Der Besucher sprach zu Rav Safra und nannte einen Preis. Da es nicht erlaubt ist, das Schma zu unterbrechen, konnte Rav Safra nicht sofort auf das Angebot eingehen. Der Mann deutete die ausgebliebene Antwort als ein »Nein« und erhöhte sein Gebot. Wieder erhielt er nur Stille als Antwort. Dies wiederholte sich einige Male, sodass am Ende ein viel höherer Preis im Raum stand als ursprünglich genannt.

Als Rav Safra fertig war mit dem Schma, wandte er sich an den Besucher und erklärte, er sei bereit, den Wein zum erstgenannten Preis zu verkaufen. Er wollte die Lage nicht zu seinen Gunsten ausnutzen, denn er war schon mit dem ersten Angebot einverstanden gewesen und konnte es nur nicht sagen.

Vorbild Rav Safra ging in seinem beispielhaften Verhalten weiter, als die Tora es von ihm verlangt. Denn seine Entscheidung beruhte allein darauf, dass er sie in seinen Gedanken traf. Er erachtete sie als bindend, ohne sie ausgesprochen zu haben, und fand es nicht richtig, sie zu revidieren und das höhere Gebot zu akzeptieren (Sheiltot Wajechi, Nr. 38).

Rabbi David Golinkin schreibt zu diesem Thema, dass Sheiltot sogar dafür plädierte, Rav Safras Handeln zur halachischen Norm für alle Juden zu machen. Zwar floss diese Entscheidung später nicht in die praktische Halacha mit ein, doch das Konzept, mehr zu tun als von einem verlangt wird (lifnim mischurat hadin), ist bis heute aktuell.

Die Halacha befasst sich nicht ohne Grund so oft mit dem Thema der Aufrichtigkeit in Geld- und Geschäftsfragen. Schon im Talmud steht geschrieben, dass der wahre Charakter eines Menschen daran erkennbar ist, wie er sich in finanziellen Fragen verhält.

Kiddusch Haschem bedeutet wörtlich »Heiligung des g’ttlichen Namens«. Das bedeutet, ich tue etwas Gutes, meine Mitmenschen, egal ob jüdisch oder nicht, sehen und mögen das und schließen daraus, dass sich ein Jude so, nämlich ehrenvoll, verhält. Leider funktioniert das auch in die andere Richtung, dann führt es zu Chillul Haschem, der »Schändung des g’ttlichen Namens«, und die Menschen schließen von einem einzelnen Juden gleich auf die ganze Gemeinschaft. Schon allein deshalb sollte man in seinen Geschäftsangelegenheiten umsichtig sein.

Abschließend erzählt Rabbi Golinkin im Namen von Rav Nachman Kossover, dass wir uns daran gewöhnen sollten, den Ewigen immer in unseren Gedanken zu haben. Man fragte ihn daraufhin: »Ist es denn möglich, an G’tt zu denken, wenn man seinen Geschäften nachgeht?« Der Rav antwortete: »Aber natürlich! Wenn wir an unsere Geschäfte denken können, während wir beten, wird es uns auch möglich sein, ans Beten zu denken, wenn wir Geschäfte tätigen.«

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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