Neulich beim Kiddusch

Nachbars dicker Arm

Ein Ellbogen in der Seite fühlt sich besonders beim Gebet sehr unangenehm an. Foto: Fotolia

Ich habe einen neuen Nachbarn in der Synagoge. Sein Vorgänger saß 20 Jahre neben mir und ist letzte Woche leider gestorben. Der Neue lebt noch nicht lange in der Stadt. Er ist Amerikaner, hat zwei Kinder und arbeitet irgendwas in einer Bank. Jetzt sitzt er links von mir.

Nach 20 Jahren muss ich mich nun an jemand Neuen gewöhnen. Das fällt mir nicht leicht, schließlich habe ich neben meinem Ex so lange gesessen, wie ein ganzes Jahr Stunden hat. Der Neue hat sich nicht mal richtig vorgestellt! Er kam letzten Schabbat einfach an den Platz und grüßte mich nur knapp. Ist das höflich? Und dann ist da noch die Sache mit der Lehne. Es gibt nur eine schmale Armlehne zwischen uns. Nur einer von uns kann seinen Unterarm dort ablegen. Zwischen meinem Ex und mir galt ein ungeschriebenes Gesetz, wer wann dort lagern darf. Ich verzichtete während der Toravorlesung darauf, durfte mich dagegen während des Gebets entspannen. Jetzt aber der Neue: Fläzt sich einfach so hin und besetzt mit seinem fetten Arm die arme Armlehne!

Parfum Ich mag ihn nicht, den Neuen. Sein Vorgänger trug dezentes Aftershave auf, der Amerikaner salbt sich vor dem Gebet regelrecht ein. Das riecht sehr aufdringlich und hindert mich an der Konzentration. Ich finde, wenn man neu in der Synagoge ist, sollte man sich angemessen vorstellen und sich vergewissern, welches Aftershave angebracht ist und welches nicht.

Man steht auch nicht einfach auf und rezitiert auswendig ein Gebetsstück. Das ist doch nur Prahlerei! Aber genau das macht der Neue: Als hätte er Hummeln im Arsch, steht er alle zehn Minuten auf, guckt nach hinten und singt laut und auswendig. In Amerika ist das vielleicht gang und gäbe, hier in Europa, und speziell in der Schweiz, kneift man beide Arschbacken zusammen und betet leise und inwendig!

notdurft Hierzulande beschränkt man sich auch darauf, während des Gebets ein- oder höchstens zweimal auf die Toilette zu gehen. Mein Neuer aber steht jede halbe Stunde auf und bittet mich: »Sorry« kurz aufzustehen, damit er durchkommen kann. Ich habe nachgezählt: Rechts von ihm sitzen mit mir vier Personen, links nur zwei. Warum muss er immer bei mir durchgehen – er hätte es doch leichter auf der anderen Seite?

Nein, solche Typen wollen sich überhaupt nicht integrieren. Sie denken nur an sich und ihre Blase. Das beste Beispiel war letzter Schabbat. Er bekam einen Aufruf. Er stand bei der Tora und schmetterte so richtig ordinär die Bracha in unsere altehrwürdige Synagoge. Dann wurde er selbst gesegnet und bedachte dabei auch seine Frau, die beiden Kinder und unseren Rabbiner.

Merken Sie was? Richtig. Mich hat er einfach vergessen. Normalerweise segnet man auch seinen Banknachbarn, mit dem man in der Regel 20 Jahre lang brüderlich die Armlehne teilt. Aber was soll’s: Ich werde eh nicht warm mit diesem Mister America.

Beim Kiddusch habe ich ihm dann meinen Rücken zugewandt. Er plauderte mit unserem Gemeindepräsidenten. Die beiden haben laut gelacht. So ein unsympathischer Kerl!

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025

Talmudisches

Audienz beim König aller Könige

Was unsere Weisen über das Gebet und seine Bedeutung lehren

von Rabbiner Avraham Radbil  31.10.2025

Geschichte

Wer war Kyros der Große?

Manche behaupten, Donald Trump sei wie der persische Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Was hinter dem Vergleich steckt

von Rabbiner Raphael Evers  30.10.2025

Interview

»Süßes gibt’s auch in der Synagoge«

Jugendrabbiner Samuel Kantorovych über Halloween, dunkle Mächte und Hexen im Talmud

von Mascha Malburg  30.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025