Talmudisches

Mizwot für Nichtjuden

Die sieben noachidischen Gebote

von Yizhak Ahren  24.01.2020 10:40 Uhr

Protest gegen die noachidischen Gebote in New York Foto: Marco Limberg

Die sieben noachidischen Gebote

von Yizhak Ahren  24.01.2020 10:40 Uhr

Da die in der Tora erwähnten Mizwot nicht eigens gekennzeichnet sind, können wir Juden die uns auferlegten Gebote und Verbote nicht einfach zählen. Wer die genaue Zahl der Mizwot wissen will, ist auf eine Mitteilung im Talmud angewiesen: »Rabbi Simlaj trug vor: 613 Mizwot sind Mosche überliefert worden; 365 Verbote, entsprechend den Tagen des Sonnenjahres, und 248 Gebote, entsprechend den Gliedern des Menschen« (Makkot 23b).

Aufzählung Im Traktat Sanhedrin (56a) stellt der Talmud fest, dass nicht nur Juden, sondern alle Menschen – »Söhne Noachs« oder Noachiden genannt – Mizwot zu erfüllen haben: »Die Rabbanan lehrten: Sieben Mizwot wurden den Noachiden auferlegt. Das Gebot der Rechtspflege und die Verbote der Gotteslästerung, des Götzendienstes, der Unzucht, des Blutvergießens, des Raubs sowie das Verbot, ein Glied von einem lebenden Tier zu essen.«

Maimonides, der Rambam (1138–1204), teilt die sieben noachidischen Mizwot in seinem religionsgesetzlichen Kodex Hilchot Melachim (9,1) in zwei Gruppen ein. Er schreibt, dass schon Adam sechs Mizwot bekam (Götzendienst, Gotteslästerung, Blutvergießen, Unzucht, Raub, Rechtspflege). Erst Noach wurde untersagt, das Glied eines noch lebenden Tieres zu verspeisen.

Warum dieses Verbot nicht wie die anderen sechs Mizwot schon Adam erteilt wurde, ist leicht zu verstehen, denn der erste Mensch durfte nur Pflanzliches essen, kein Fleisch.

Glaube Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass in der Liste der sieben noachidischen Mizwot zwar das Verbot der Gotteslästerung steht, nicht aber ein positives Gebot, an den Ewigen zu glauben. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, Nichtjuden seien von diesem Gebot befreit.

Das Wissen um den von Gott mit Noach und seinen Nachkommen geschlossenen Bund ist die Voraussetzung des ganzen Systems. Ohne den himmlischen Gesetzgeber gäbe es die Gesetze der Universalreligion gar nicht.

Ein amerikanischer Dezisor, Rabbi Mosche Feinstein (1895–1986), wurde einmal gefragt, ob ein Noachide verpflichtet sei, zum Ewigen zu beten. Er antwortete, Nichtjuden seien keineswegs dazu verpflichtet, denn zu beten sei kein noachidisches Gebot. Aber in einer Notsituation, wie zum Beispiel einer schweren Krankheit, sei auch ein Nichtjude zu einem Gebet verpflichtet.

Warum? Weil gerade in der Bitte um Genesung die auch einem Noachiden gebotene Beziehung zu Gott, der Kranke heile, zum Ausdruck komme.

Universalreligion Der italienische Rabbiner Elia Benamozegh (1822–1900) vertrat die Ansicht, dass der »Noachismus« die wahre, einzige, ewige Religion der Völker ist und dass diese Universalreligion mit dem »Mosaismus« einen gemeinsamen Kern hat.

Als der französische Katholik Aimé Pallière, der mit dem Gedanken spielte, zum Judentum überzutreten, sich an Benamozegh wandte, legte dieser dem Ratsuchenden nahe, er solle doch ein Noachide bleiben. Der Rabbiner argumentierte: »Sie haben die Freiheit, die ein Jude nicht hat, aus dem jüdischen Gesetz all das zu nehmen, was Ihrer Persönlichkeit entspricht. Dies alles als freiwillige Religionsübung und nicht als Verpflichtung, während der Jude keine Wahlfreiheit hat: Er ist dem ganzen Gesetz untertänig.«

Aber was spricht dann für einen wirklichen Übertritt zum Judentum? Gerade die wesentlich größere Zahl der zu erfüllenden Mizwot! In der Mischna (Makkot 3,16) heißt es: »Rabbi Chananja Ben Akaschia sagte: Der Heilige, gepriesen sei Er, wollte Israel verdienstlich machen – daher verlieh Er ihnen die Tora und viele Mizwot, wie es heißt: ›Dem Herrn gefiel es um seiner Gerechtigkeit willen, seine Tora groß und ausgedehnt zu machen‹ (Jeschajahu 42,21).«

Die vielen Mizwot lehren uns, wie ein gottgefälliges Leben auszusehen hat, und sie geben uns die Möglichkeit, in allen Lebensbereichen Verdienste zu erwerben.

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024

Naturgewalt

Aus heiterem Himmel

Schon in der biblischen Tradition ist Regen Segen und Zerstörung zugleich – das wirkt angesichts der Bilder aus Spanien dramatisch aktuell

von Sophie Bigot Goldblum  05.12.2024

Deutschland

Die Kluft überbrücken

Der 7. Oktober hat den jüdisch-muslimischen Dialog deutlich zurückgeworfen. Wie kann eine Wiederannäherung gelingen? Vorschläge von Rabbiner Jehoschua Ahrens

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  05.12.2024

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Toldot

Jäger und Kämpfer

Warum Jizchak seinen Sohn Esaw und nicht dessen Bruder Jakow segnen wollte

von Rabbiner Bryan Weisz  29.11.2024

Talmudisches

Elf Richtlinien

Wie unsere Weisen Psalm 15 auslegten

von Yizhak Ahren  29.11.2024

Ethik

»Freue dich nicht, wenn dein Feind fällt«

Manche Israelis feiern auf den Straßen, wenn Terroristenführer getötet werden. Doch es gibt rabbinische Auslegungen, die jene Freude über den Tod von Feinden kritisch sehen

von Rabbiner Dovid Gernetz  29.11.2024