Einspruch

Mitzvah kennt keinen Lockdown

Rabbinerin Gesa Ederberg Foto: Uwe Steinert

Schon in einem normalen Jahr schauen wir im November aus dem Fenster und wollen uns eigentlich nur noch mit einem guten Buch, Kaffee und Schokolade auf die Couch zurückziehen. In diesem Jahr scheint das natürlich besonders gerechtfertigt: um Kontakte zu reduzieren und Ansteckungen zu vermeiden.

Umso schöner und wichtiger ist es, dass zum Mitzvah Day trotzdem so viele Projekte entstanden sind, ganz kreative und unter Beachtung der Corona-Regeln. Auch von der gemütlichen Couch aus lässt sich vieles tun: Grußkarten basteln oder in den Kleiderschränken schauen, was sich als Spende für Obdachlose eignet.

tradition In unserer Tradition ist die Verantwortung für Menschen in Not und für die menschliche Gemeinschaft nichts Beliebiges, was auch einmal ausfallen kann, sondern immer eine zentrale Aufgabe für die Menschen der eigenen Gemeinschaft und darüber hinaus. Maimonides hat acht Stufen der Zedaka, des »Gerechtigkeit Tuns«, benannt.

Aktiv zu sein für andere, egal, wie schwierig die Umstände sind, hält nicht nur die jüdische Gemeinschaft, sondern die Gesellschaft insgesamt zusammen.

Die niedrigste Stufe ist, wenn man erst auf Anfrage und dann auch noch unwillig gibt. Besser ist es, freundlich zu geben, ohne gefragt zu sein. Noch besser ist es, zu geben, ohne dass der Empfänger weiß, von wem die Hilfe kommt. Die höchste Stufe ist es, jemandem die Mittel zu geben, selbst für sein Auskommen zu sorgen und so aus der Spirale der Armut auszusteigen.

hilfe Direkte Hilfe für Menschen in Not, das Geben von Geld oder Dingen, ist dabei nur ein Aspekt. Ein Text aus dem Talmud (Schabbat 127a), den wir jeden Morgen beten, macht das deutlich, denn er verbindet das richtige Verhalten in der Familie und der eigenen Gemeinschaft mit der Verantwortung für andere darüber hinaus: Das Ehren von Vater und Mutter und die Gastfreundschaft sind hier genauso genannt wie das Besuchen von Kranken, das Beerdigen von Toten und das Friedenstiften zwischen Menschen überhaupt.

Aktiv zu sein für andere, egal, wie schwierig die Umstände sind, hält nicht nur die jüdische Gemeinschaft, sondern die Gesellschaft insgesamt zusammen.

Die Autorin ist Gemeinderabbinerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

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