Liebe zu Gott

»Mit deinem ganzen Herzen«

Gott fordert von Seinem Volk Israel ungeteilte Zuneigung. Die soll sich in Loyalität, in der Befolgung Seiner Gebote ausdrücken. Foto: Thinkstock

Glücklich allein ist die Seele, die liebt», sagte einst Johann Wolfgang von Goethe. Von ihm stammt auch das Zitat «Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll». Beides dürfte zutreffen, wenn es um die romantische Liebe zu einem anderen Menschen geht.

Aber was ist mit der Liebe zu Gott, und was mit Gottes Liebe für die Menschheit und sein Volk Israel? Diesen und weiteren Fragen hat sich Jon Douglas Levenson, Professor für Jüdische Studien an der Harvard-Universität, in seinem jüngsten Buch The Love of God gewidmet.

Obwohl die Liebe zu Gott ein zentrales Thema in den grundlegenden Texten des Judentums ist, ist es zugleich ein Thema, das überraschend wenig Aufmerksamkeit durch die zeitgenössische Forschung erfährt, schreibt Levenson. Er will mit seinem Buch «diese Lücke» für den wissenschaftlich, aber auch für den allgemein interessierten Leser schließen.

Quellen Levenson führt eine Fülle von Quellen aus den unterschiedlichsten Epochen an, mit zahlreichen Verweisen und Anmerkungen, um dem Phänomen näherzukommen – von ägyptischen und assyrischen Schriften über biblische Zitate und talmudische Gedanken bis hin zu Positionen jüdischer Denker der Moderne wie Martin Buber und Franz Rosenzweig.

«Und du sollst den Ewigen, deinen G’tt, lieben mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele und deiner ganzen Kraft», so heißt es in der Tora (5. Buch Mose 6,5). Zweimal täglich wiederholen gläubige Juden diesen Satz im Schma-Gebet. Er macht deutlich, dass es um eine Liebe geht, die angeordnet wird. Gott fordert von Seinem Volk Israel ungeteilte Zuneigung, so Levenson. Und die soll sich in Loyalität, in der Befolgung Seiner Gebote ausdrücken. «So erkenne, dass der Ewige, dein Gott, der Gott ist, der zuverlässige Gott, der bewahrt den Bund und die Gnade denen, welche ihn lieben und seine Gebote halten bis in tausend Geschlechter», heißt es an anderer Stelle im 5. Buch Mose (7,9). Es geht um den Bund (Brit), den Gott mit seinem Volk eingeht. «Und ihr sollt Mir heilig sein, denn heilig bin Ich, der Ewige; und Ich habe euch ausgesondert aus den Völkern, die Mir zugehören» (3. Buch Mose 20,26).

Normen Aber ist Liebe nicht eher Sache des Herzens als des Verstandes und der Befolgung verordneter Normen? Oder anders ausgedrückt: Geht es hier um Taten oder Gefühle? Um beides, meint Levenson und schreibt, dass «Liebe» im biblischen Kontext eher eine Art Metapher ist – und eine Definition, die dem zeitgemäßen Verständnis unterliegt. Das eine sei die moderne westliche Auffassung der romantischen Liebe zweier Menschen. Dahingegen sei die Liebe von Eltern für ihre Kinder schon eher eine, die weniger durch Gefühle als durch Taten bestimmt ist. Auch wenn diese Analogie, so Levenson, weit von der Liebe Gottes zu seinem Volk entfernt ist, taucht die Metapher von Vater und Sohn doch in der Tora auf.

Und hier stellt sich gleich die nächste Frage: Wie können wir jemanden lieben, den wir fürchten sollen? Schließlich verlangt die Tora: «Du fürchtest den Ewigen, deinen Gott, dass du auf all Seinen Wegen wandelst und Ihn liebst» (5. Buch Mose 10,12). Einige bezweifeln, dass Liebe unter solchen Umständen überhaupt möglich ist, da sie doch auch eine gewisse Gleichheit voraussetzt. Die sei jedoch ein sehr zeitgemäßes Verständnis, meint Levenson, keines, das dem biblischen Geist entspricht. Somit schließt sich der Kreis der Betrachtung, die mit der Lektüre von The Love of God zu weiteren Überlegungen anregt.

Jon D. Levenson: «The Love of God». Princeton University Press, Princeton/USA 2016, 235 S., 29,95 $

Geschichte

Wer war Kyros der Große?

Manche behaupten, Donald Trump sei wie der persische Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Was hinter dem Vergleich steckt

von Rabbiner Raphael Evers  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025

Noach

Ein neuer Garten Eden

Nach der Flut beginnt das Pflanzen: Wie Noachs Garten zum Symbol für Hoffnung und Verantwortung wurde

von Isaac Cowhey  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025