Manche Kardinäle halten den Blick gesenkt, wenn sie zu ihrer täglichen Versammlung in den Vatikan gehen. Einige sprechen kurz mit den Journalisten, die mit Mikrofonen und Kameras den Eingang zum Kirchenstaat belagern. Sie wollen wissen, was dieser Tage viele auch über die Tore der Vatikanstadt hinaus beschäftigt: Wer wird der nächste Papst?
Dabei fällt immer wieder der Name eines vergleichsweise jungen Kandidaten aus Jerusalem. Pierbattista Pizzaballa (60) stehe für Frieden, Dialog und Diplomatie, heißt es. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem ist gut bekannt mit religiösen Oberhäuptern aus Islam, Judentum und Orthodoxie. Seit Jahren beweist er sich als Vermittler in Nahost. Der Italiener gilt als menschennah und fromm.
1984 trat Pizzaballa der Ordensgemeinschaft der Franziskaner in einem toskanischen Kloster bei. Sechs Jahre später erhielt er die Priesterweihe und wurde noch im selben Jahr zum Studium nach Jerusalem entsandt. Dort studierte er auch an der Hebrew University. Später arbeitete Pizzaballa in Israel als Professor für biblisches Hebräisch und Judaismus. Im Oktober 2020 ernannte ihn Papst Franziskus zum Lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Somit wurde er Oberhaupt der römisch- katholischen Partikularkirche, die für Gläubige in Israel, den Palästinensischen Gebieten, Jordanien und Zypern zuständig ist.
Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 sorgte der Patriarch zunächst für Irritationen. So sprach er in einer Erklärung von einer »vom Gazastreifen ausgehenden Operation«. Später entschuldigte sich der Kardinal: Er habe noch nicht den vollen Umfang des Angriffs gekannt. Während der schwierigen Geiselverhandlungen bot er sich selbst im Austausch gegen Geiseln der Hamas an. »Wenn so Kinder freikommen und nach Hause kehren können, wäre das kein Problem«, sagte er einer Journalistin. Mitte Mai 2024 besuchte er vier Tage lang im Rahmen eines Hilfsprojekts den Gazastreifen.
Gegen den Franziskaner als nächsten Papst sprechen derzeit allerdings zwei Gründe: Aufgrund seines noch relativ jungen Alters könnte den Kardinälen die zu erwartende Amtsdauer zu lang sein. Und Pizzaballa selbst möchte nach eigener Aussage nicht der nächste Papst werden: »Man müsste verrückt sein, solch einen Job machen zu wollen.« ja/kna