Fachtagung »End-of-Life«

Jüdische Perspektiven auf Verlust und Trauer

Im Umgang mit Trauer müsse auch Stillstand und Stille ausgehalten werden, sagte Stephan Probst, Palliativmediziner und leitender Oberarzt am Klinikum Bielefeld, bei der Tagung »End-of-Life«. Foto: Uwe Steinert

In Berlin hat die interdisziplinäre Fachtagung »End-of-Life: Jewish Perspectives – Vom Umgang mit Verlust und Trauer« begonnen. Etwa 100 Ärzte, Rabbiner, Seelsorger, Psychotherapeuten, Trauerbegleiter, Sozialarbeiter und ehrenamtlich Tätige aus jüdischen Gemeinden kamen am Donnerstagnachmittag zur Eröffnung in den Senatssaal der Humboldt-Universität. Die viertägige Tagung findet noch bis Sonntag im Jüdischen Krankenhaus Berlin statt.

Unterstützt wird die mittlerweile dritte Veranstaltung in der Reihe »End-of-Life« unter anderem auch von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), der Allgemeinen und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland und dem Klinikum Bielefeld.

Schiwa Bei der Eröffnung sagte Stephan Probst, Palliativmediziner und leitender Oberarzt am Klinikum Bielefeld, im Umgang mit Trauer müsse auch Stillstand und Stille ausgehalten werden – etwas, das im Judentum in der Tradition des Schiwa-Sitzens zum Ausdruck komme. Ärzte und Pflegekräfte neigten im Alltag dagegen manchmal dazu, Trauer »wegtrösten« zu wollen – nicht im Interesse der Patienten.

Die Eröffnungsvorträge hielten der Psychologe Yizhak Ahren (Jerusalem) zum Thema »Können jüdische Rituale pathologische Trauer verhindern?« und der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Osnabrück, Avraham Radbil, über »Die Halacha der Trauer«.

Rainer Kampling, Sprecher des Selma Stern Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg wies in seinem Grußwort darauf hin, die Überwindung von Trauer und Verlustangst finde sich bereits in der Hebräischen Bibel, dem Tanach. In Zeiten, in denen »Rituale der Trauer einem Erosionsprozess unterliegen, erinnert diese Tagung daran, dass niemand vergessen und nichts erledigt ist«, sagte Kampling.

Jonah Sievers, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Leiter der Kultusabteilung, betonte, als Rabbiner werde man daran gemessen, wie man sich in Trauerfällen gegenüber den Angehörigen verhält: »Wenn man da einen Fehler gemacht hat, kann man die beste Predigt an Jom Kippur halten – aber das können die Menschen nicht vergessen«, sagte Sievers. Der Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes, Benno Bolze, wünschte den Teilnehmern der Tagung »Ermutigung nach einer Suche der weiteren Tiefe der Gedanken«.

Chewra Kadischa Noch bis Sonntag geht es um die Themen Tahara und Chewra Kadischa, neuere und alternative Beerdigungs- und Trauerrituale, professionelle Trauerbegleitung sowie um Trauer und Verlust in interreligiösen Beziehungen und in der LGBT-Gemeinschaft.

Parallel zur Eröffnung erschien bereits ein Tagungsband. In seinem Geleitwort schreibt Abraham Lehrer, Vorstandsvorsitzender der ZWST und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Tod und Trauer gerieten in »unserer schnelllebigen Zeit schnell aus dem Blick«.

Umso härter treffe es diejenigen, die damit direkt konfrontiert würden. »Daher begrüßen wir es umso mehr, dass diese Tagungsreihe sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt: Mit Blick auf die direkt Betroffenen sowie auf diejenigen, die damit umgehen müssen.«

Stephan M. Probst (Hg.): »Vom Umgang mit Verlust und Trauer im Judentum – Loss and mourning in the Jewish tradition«. Berlin, Hentrich & Hentrich 2018, 250 S., 19,90 €

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024

Naturgewalt

Aus heiterem Himmel

Schon in der biblischen Tradition ist Regen Segen und Zerstörung zugleich – das wirkt angesichts der Bilder aus Spanien dramatisch aktuell

von Sophie Bigot Goldblum  05.12.2024

Deutschland

Die Kluft überbrücken

Der 7. Oktober hat den jüdisch-muslimischen Dialog deutlich zurückgeworfen. Wie kann eine Wiederannäherung gelingen? Vorschläge von Rabbiner Jehoschua Ahrens

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  05.12.2024

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Toldot

Jäger und Kämpfer

Warum Jizchak seinen Sohn Esaw und nicht dessen Bruder Jakow segnen wollte

von Rabbiner Bryan Weisz  29.11.2024

Talmudisches

Elf Richtlinien

Wie unsere Weisen Psalm 15 auslegten

von Yizhak Ahren  29.11.2024

Ethik

»Freue dich nicht, wenn dein Feind fällt«

Manche Israelis feiern auf den Straßen, wenn Terroristenführer getötet werden. Doch es gibt rabbinische Auslegungen, die jene Freude über den Tod von Feinden kritisch sehen

von Rabbiner Dovid Gernetz  29.11.2024