Oberrabbinat

Hindernisse für Heiratswillige

Gebäude des Oberrabbinats in Jerusalem Foto: Flash 90

Rabbiner Itamar Tubul, Leiter der Abteilung für persönliche Statusangelegenheiten des orthodoxen Oberrabbinats in Jerusalem, stand bis vor Kurzem nicht im Licht der Öffentlichkeit. Sein Job: Wer in Israel heiraten will – etwa Neueinwanderer, aber auch Juden aus der Diaspora, die Israelis heiraten oder sich einfach eine Hochzeit im Heiligen Land wünschen –, ist darauf angewiesen, dass Tubuls Abteilung die Bescheinigung eines Rabbiners akzeptiert, dass der oder die Heiratswillige jüdisch ist.

Liste Doch Rabbiner Tubul nimmt längst nicht alle Bescheinigungen seiner Kollegen an – und die Zeugnisse nichtorthodoxer Rabbis sowieso nicht. Seit Anfang Juli nun ist Tubul in aller Munde, weil er ein Papier zusammengestellt hat, auf dem 160 liberale, konservative und orthodoxe Rabbiner aus 24 Ländern verzeichnet sind.

Der Generaldirektor der Behörde, Moshe Dagan, schrieb in einem Brief an den Orthodoxen Rabbinischen Rat (ORC) in den USA, es handele sich nicht um eine Schwarze Liste »unautorisierter oder nicht anerkannter Rabbiner«, vielmehr seien die von den Rabbinern ausgestellten Dokumente in der Vergangenheit nicht akzeptiert worden, »aus welchen Gründen auch immer«.

Deutsche RAbbiner Laut der israelischen Zeitung »Haaretz« stehen auch sechs Rabbiner aus Deutschland auf der Liste: der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) und Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg, Henry G. Brandt, der Berliner Gemeinderabbiner Jonah Sievers und die liberalen Rabbiner Walter Rothschild und Salomon Almekias-Siegl.

Allerdings geht es offenbar nicht nur um die Liberalen: Der orthodoxe Rabbiner Dov-Levy Barsilay und der 2014 verstorbene Rabbiner Isaac Neumann, der für kurze Zeit in Ost-Berlin in der DDR amtiert hatte, sind ebenfalls gelistet. Aus Argentinien wird laut Haaretz Rabbiner Abraham Skorka erwähnt.

Kehilat Jeshurun Außerdem zählt die Liste Rabbiner Baruch Goodman auf, Direktor des Chabad-Hauses an der Rutgers-Universität in New Jersey, USA, und die modern-orthodoxen Rabbiner Avi Weiss und Daniel Kraus. Letzterer ist Direktor eines pädagogischen Zentrums der Gemeinde Kehilat Jeshurun in Manhattan. Bei dem Rabbiner dieser orthodoxen Gemeinde, Haskel Lookstein, war die Tochter von US-Präsident Donald Trump, Ivanka, vor ihrer Hochzeit zum Judentum konvertiert.

Abraham Lehrer, Kultusdezernent des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, er teile die Ansicht des israelischen Oberrabbiners David Lau, »dass das Veröffentlichen einer Namensliste überflüssig war«.

ORD Rabbiner Zsolt Balla, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD), er-klärte: »Nach meinem Wissen gibt es keine Schwarze Liste. Wie ich es weiß, stehen in diesem Papier die Namen von Rabbinern, deren Bescheinigungen in der Vergangenheit – möglicherweise auch nur ein einziges Mal – vom Oberrabbinat nicht anerkannt wurden. Die Gründe für die Nichtanerkennung können auch wohl technisch sein.«

Weiter sagte Balla: »Der hoch geschätzte und langjährige Rabbiner und Landesrabbiner von Hamburg und Schleswig-Holstein, Dov-Levy Barzilay, ist durch das Papier nicht disqualifiziert. Er bleibt Mitglied der ORD.«

ARK Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, erklärte: »Eine Anerkennung durch das Oberrabbinat in Israel habe ich niemals gesucht, gewünscht oder erwartet.« Nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch die Existenz einer solchen Liste sei beschämend: »Oberrabbinate im Allgemeinen sind sowieso Institutionen ohne wirkliche Wurzeln in der jüdischen Tradition, von fremden Herrschern oft aufoktroyiert oder aufgeschwatzt.« Je schneller sie verschwänden, desto heller scheine »die Zukunft unseres Volkes und unseres Glaubens«, so Brandt.

Rabbiner Rothschild sagte, das israelische Oberrabbinat sei seit Langem bekannt für »Arroganz, Inkompetenz, eine brutale und geringschätzige Art, Bewerber wie Bittsteller zu behandeln, und eine kafkaeske Bürokratie«. Er persönlich betrachte es als »Ehre, dass ich auf dieser Liste bin«.

offizielle Eheschließung Wer in Israel, wo es keine Möglichkeit einer zivilen Eheschließung gibt, offiziell heiraten möchte, ist jedenfalls gut beraten, vorher zu prüfen, wessen Judentums-Zertifikate durch das Oberrabbinat anerkannt werden. Im Zweifelsfall sollte man, trotz der Verwirrung durch Tubuls Liste, auf orthodoxe oder ultraorthodoxe Rabbiner setzen – ganz im Sinne des ultraorthodox dominierten Oberrabbinats.

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025

Noach

Ein neuer Garten Eden

Nach der Flut beginnt das Pflanzen: Wie Noachs Garten zum Symbol für Hoffnung und Verantwortung wurde

von Isaac Cowhey  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G›tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025

Talmudisches

Von Schuppen und Flossen

Was unsere Weisen über koschere Fische lehren

von Detlef David Kauschke  17.10.2025

Bracha

Ein Spruch für den König

Als der niederländische Monarch kürzlich die Amsterdamer Synagoge besuchte, musste sich unser Autor entscheiden: Sollte er als Rabbiner den uralten Segen auf einen Herrscher sprechen – oder nicht?

von Rabbiner Raphael Evers  17.10.2025

Mussar-Bewegung

Selbstdisziplin aus Litauen

Ein neues Buch veranschaulicht, wie die Lehren von Rabbiner Israel Salanter die Schoa überlebten

von Yizhak Ahren  17.10.2025

Michael Fichmann

Essay

Halt in einer haltlosen Zeit

Wenn die Welt wankt und alte Sicherheiten zerbrechen, sind es unsere Geschichte, unsere Gebete und unsere Gemeinschaft, die uns Halt geben

von Michael Fichmann  16.10.2025