Tradition

Himmlisches Licht

Lag BaOmer in Meron, Israel Foto: Flash 90

Tradition

Himmlisches Licht

An Lag BaOmer wird der von Trauer geprägte Zeitabschnitt für einen Tag unterbrochen

von Chajm Guski  30.04.2012 15:47 Uhr

Die »Lagerfeuer-Romantik« hat nicht nur ein gutes Image. Lagerfeuer stehen für einen gewissen Kitschfaktor. Auf der anderen Seite sind Nächte am offenen Feuer unter freiem Himmel bekanntlich auch immer etwas Besonderes. So auch am Abend von Lag BaOmer, an dem das Entzünden von Feuern zum Brauch dieses Tages gehört.

Rund um die israelische Stadt Meron sieht man an diesem Abend und in der Nacht zahllose Feuer brennen. Das ist ein Erlebnis für jene, die das sehen, und für jene, die fröhlich an den Feuern sitzen. Fröhlichkeit inmitten der Omerzeit, die ansonsten einen recht traurigen Charakter erhalten hat. Warum also gehört das Entfachen solcher Feuer zu diesem Tag der Freude?

aufstand Die Antwort auf diese Frage hängt mit dem Ursprung zusammen, den man Lag BaOmer zuschreibt und hat zwei »Gesichter«. Während der Omerzeit wurde der Bar-Kochba-Aufstand (132–135) niedergeschlagen, und während der Omerzeit starben 24.000 Schüler von Rabbi Akiwa an einer Krankheit, wie überliefert wird. Der Talmud sagt, weil sie sich nicht »gegenseitig respektierten« (Jewamot 62b). Tatsächlich gehörte Rabbi Akiwa zu den Unterstützern Bar Kochbas, und so ist es wahrscheinlich, dass die »Seuche«, die unter den Schülern wütete, wohl der Kampf gegen die Römer war.

So wurde aus der Omerzeit eine Zeit der Trauer. Üblicherweise beachtet man sogar einige Trauerriten in den Tagen des Omerzählens. Nur durch die Schabbatot, Jom Haazmaut und eben Lag BaOmer wird diese Periode der leisen, gedämpften Atmosphäre unterbrochen: durch den 33. Tag des Omerzählens.

versteck Aber sogar der Anlass dafür ist eigentlich kein fröhlicher. Lag BaOmer ist nämlich die Jahrzeit von Rabbi Schimon bar Jochai. Er lehrte und verstarb in Meron. Schimon bar Jochai war ein Schüler von Rabbi Akiwa, und auch er war ein Gegner Roms. Einer talmudischen Legende (Schabbat 33b) zufolge musste sich Schimon bar Jochai zwölf Jahre in einer Höhle vor den Römern verstecken, wurde dort mit Wasser versorgt und lernte ausschließlich Tora. In dieser Zeit des Studiums wurden ihm der Sage nach tiefe mystische Einblicke zuteil.

Dies ist zugleich eine Erklärung für den Brauch der Lagerfeuer. Sie erinnern demnach an das Licht, das der Raschbi mit seinen Lehren auf die Erde geholt habe. Das im »Sohar« offenbarte himmlische Licht sei nun für alle seine Schüler entzündet. Die Tora selbst wird von König Schlomo mit Licht verglichen, heißt es. »Denn eine Leuchte ist die Mitzwa, und die Tora ein Licht« (Sprüche 6,23).

Wer mit dem mystischen Ansatz wenig anfangen kann, den können die Lichter auch einfach, vielleicht recht »profan«, an die Signalfeuer der Kämpfer des Bar-Kochba-Aufstandes erinnern. Sie bedeuten, dass die Feiertage nun wieder ohne Bedrängnis angekündigt werden können.

selbstbestimmung In alter Zeit wurden nämlich der Monatsbeginn und die Feiertage Israels durch Signalfeuer angekündigt. Von Jerusalem ausgehend, wurden die Feuer entzündet. Bis nach Babylon sollen sie entzündet worden sein. Diese Praxis wurde von den Römern indes verboten. Die Anhänger Bar Kochbas kämpften aktiv dagegen, durch Lehre, aber auch konkretes Handeln. Sie wollten selbstbestimmt leben.

Dieses Ziel ist heute durch die Gründung des Staates Israel erreicht. Jüdinnen und Juden können nach allen Katastrophen, die sich speziell auch während der Omerzeit zugetragen haben, in aller Öffentlichkeit ihre Feste begehen, sich nachts ans Lagerfeuer setzen und in hebräischer Sprache darüber erzählen und singen. Ein guter Grund zur Freude.

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Beha’Alotcha

Damit es hell bleibt

Wie wir ein Feuer entzünden und dafür sorgen, dass es nicht wieder ausgeht

von Rabbiner Joel Berger  13.06.2025

Talmudisches

Dankbarkeit lernen

Unsere Weisen über Hakarat haTov, wie sie den Menschen als Individuum trägt und die Gemeinschaft zusammenhält

von Diana Kaplan  13.06.2025

Tanach

Schwergewichtige Neuauflage

Der Koren-Verlag versucht sich an einer altorientalistischen Kontextualisierung der Bibel, ohne seine orthodoxen Leser zu verschrecken

von Igor Mendel Itkin  13.06.2025

Debatte

Eine »koschere« Arbeitsmoral

Leisten die Deutschen genug? Eine jüdische Perspektive auf das Thema Faulheit

von Sophie Bigot Goldblum  12.06.2025

Nasso

Damit die Liebe bleibt

Die Tora lehrt, wie wir mit Herausforderungen in der Ehe umgehen sollen

von Rabbiner Avichai Apel  06.06.2025

Bamidbar

Kinder kriegen – trotz allem

Was das Schicksal des jüdischen Volkes in Ägypten über den Wert des Lebens verrät

von Rabbiner Avraham Radbil  30.05.2025

Schawuot

Das Geheimnis der Mizwot

Der Überlieferung nach erhielt das jüdische Volk am Wochenfest die Tora am Berg Sinai. Enthält sie 613 Gebote, oder sind es mehr? Die Gelehrten diskutieren seit Jahrhunderten darüber

von Rabbiner Dovid Gernetz  30.05.2025

Tikkun Leil Schawuot

Nacht des Lernens

Die Gabe der Tora ist eine Einladung an alle. Weibliche und queere Perspektiven können das Verständnis dabei vertiefen

von Helene Shani Braun  30.05.2025