Wajakhel–Pekude

Herausforderungen angehen

Foto: Getty Images

Der Wochenabschnitt Pekude ist der letzte im zweiten Buch der Tora, dem 2. Buch Mose (hebräisch: Schemot). In diesem Jahr wird er mit dem Abschnitt Wajakhel zusammen gelesen. Unsere Weisen sagten über die Worte der Tora: »Ein Ende zeichnet sich schon am Anfang ab«, das heißt, es gibt eine Verbindung zwischen dem Anfang und dem Ende der Tora und zwischen dem Anfang und dem Ende der jeweiligen Bücher und sogar der Abschnitte. So ist es üblich, wenn man das Buch beendet, eine Verbindung zwischen dem Ende und dem Anfang zu suchen.

Es scheint also angebracht, auch das Ende des Buches Schemot mit seinem Anfang zu verbinden. Es beginnt mit einem besonderen Vorfall, den wir uns genauer anschauen: Es ist nicht einfach so geschehen, dass Mosche aus dem Wasser gezogen wurde. Tatsächlich hatte die Tochter des Pharaos den Korb gesehen und daraufhin ihre Hand ausgestreckt, um das Baby Mosche aus dem Wasser zu ziehen.

Über die Worte »und sie sandte ihre Amme, sie nahm …« (2,5) schreibt der Tora-Kommentator Raschi (1040–1105), dass in dem Moment ein Wunder geschah: G’tt verlängerte die Hand von Pharaos Tochter, damit sie Mosche erreichen und aus dem Wasser holen konnte. Auf natürliche Weise wäre es unmöglich gewesen, ihn aus dieser Entfernung zu holen, denn er war zu weit weg. Aber G’tt erkannte ihren starken Wunsch, Mosche zu retten, und Er half ihr, dies zu tun.

HEILIGTUM Am Ende des 2. Buches Mose lesen wir davon, wie der Mischkan, das mobile Heiligtum der Israeliten in der Wüste, mithilfe der einzelnen Beiträge von allen aus dem Volk fertiggestellt wurde.
Mosche war der Einzige, der keine praktische Tätigkeit ausführte. Er erhielt Anweisungen von oben und gab sie an die Arbeiter weiter. Doch er war unzufrieden mit dieser Rolle.

Als die Beteiligten und Freiwilligen die Arbeit abgeschlossen hatten, war der Mischkan bereit, aufgestellt zu werden. Doch niemand schaffte es, denn er war so schwer, dass er bei jedem Versuch wieder umfiel. Und weil G’tt sah, wie Mosche damit haderte, dass er nichts Praktisches beim Errichten des Mischkans beigetragen hatte, griff Er ein.

Doch wie sollte Mosche etwas so Schweres und Massives heben, wenn alle gemeinsam daran scheiterten? Wir wissen, dass keinem Mensch dies hätte gelingen können, denn es war viel zu schwer – doch Mosche konnte es. Er fragte G’tt, wie ein einziger Mensch es aufstellen könnte, und G’tt antwortete ihm, er solle sich damit beschäftigen, dann werde er schon sehen, wie es geht.

Daraufhin lesen wir, dass das Stiftszelt aufgestellt wurde. Raschi erklärt, dass G’tt sagte: »Leg deine Hand darauf, und es wird sich aufrichten.« So beseitigte Er Mosches Bedauern, dass er bis zu diesem Zeitpunkt nicht aktiv an der Arbeit beteiligt war. Dies war ein Wunder, genau wie es am Anfang ein Wunder war, dass die Tochter des Pharaos Mosche aus dem Wasser zog. Diese Wunder geschahen, weil ein starker Wille vorhanden vor und auch der Glaube an G’tt und sich selbst, dass es möglich ist, etwas zu erreichen.

GESCHICHTE So ist es auch in der folgenden chassidischen Geschichte. In Krakau lebte vor Zeiten ein armer Schneider namens Eisik. Er träumte eines Nachts davon, dass er nach Prag wandern solle, und dort, an der Brücke über die Moldau, graben solle, dann würde er einen Schatz finden. Nachdem er dreimal hintereinander denselben Traum hatte, packte er seine Habseligkeiten und wanderte los.

In Prag an der berühmten Brücke am Fuße der Burg angekommen, sah er sofort, dass es hier unmöglich war, nach einem Schatz zu graben. Denn schon damals herrschte dort reger Verkehr. Kaufleute zogen mit ihren Wagen vorbei, Hausfrauen mit Krügen auf dem Kopf, Bauern mit Früchten und mit Gemüse gingen über die Brücke, und an beiden Enden wachte jeweils ein Hauptmann mit seiner Garde. »Was würden die Leute sagen, wenn ich hier zu graben anfinge?«, fragte sich Eisik.

Weil er nun aber den weiten Weg von Krakau nach Prag gewandert war, kam er jeden Tag an die Brücke und überlegte, wo der Schatz wohl liegen mochte. »Wenn ich hier graben könnte, wo würde ich das tun?«, fragte er sich.

Allmählich wurde er der Wache verdächtig. Eines Tages herrschte der Hauptmann den Schneider an: »Was treibst du dich hier herum? Wir beobachten dich schon seit Tagen. Scher dich weg!«

traum Daraufhin erzählte Eisik ihm von seinem Traum. Der Hauptmann lachte. »Wo kämen wir hin, wenn wir all unseren Träumen vertrauen würden? Ich zum Beispiel träume seit Tagen, dass ich nach Krakau gehen sollte und dort unter dem Ofen eines alten Juden graben sollte. Dort würde ich einen Schatz finden.«

Eisik verneigte sich vor dem Wachmann, bedankte sich und machte sich auf den Heimweg. In Krakau angekommen, nahm er die Steine unter seinem Ofen fort, grub dort und – fand den Schatz.

Später, als Eisik der berühmte und heilige Rabbi Eisik des Chassidismus geworden war, erzählte er oft diese Geschichte, und jedes Mal fügte er die Worte hinzu: »Grab nicht woanders, grab bei dir.«

LEKTION Was lernen wir von Pharaos Tochter, von Mosche und auch von Rabbi Eisik? Wir sollten uns nie vor großen Herausforderungen scheuen, nicht denken, dass etwas zu schwierig oder unmöglich erscheint. Wenn wir tun, was wir tun sollen, wird G’tt uns mit Erfolg segnen. Ein Mensch beginnt mit dem Erfüllen eines Gebots, und G’tt hilft ihm, aber er muss bereit sein und einen festen Willen haben, wie es heißt: »Öffnet Mir den Eingang, so wie ein Nadelöhr geöffnet wird, und Ich werde euch den Eingang öffnen, so wie ein großer Saal geöffnet wird.« G’tt sagt ausdrücklich: Wenn ihr bereit seid und einen Schritt versucht, selbst den kleinsten, dann werde Ich zu euch kommen und euch helfen.

Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.

inhalt
Im Wochenabschnitt Wajakhel werden die Israeliten daran erinnert, dass sie das Schabbatgesetz nicht übertreten sollen. Die Künstler Bezalel und Oholiab sollen aus freiwilligen Spenden Geräte für das Stiftszelt herstellen, und es wird die Bundeslade angefertigt.
2. Buch Mose 35,1 – 38,20

Pekude, der letzte Abschnitt des Buches Schemot, berichtet von der Berechnung der Stoffe, die für das Stiftszelt verarbeitet werden, und wiederholt die Anweisungen zur Herstellung der Priesterkleidung. Die Arbeiten am Mischkan werden vollendet, und er wird eingeweiht. Über ihm erscheint eine »Wolke des Ewigen«.
2. Buch Mose 38,21 – 40,38

Wajischlach

Wahre Brüder, wahre Feinde?

Die Begegnung zwischen Jakow und Esaw war harmonisch und belastet zugleich

von Yonatan Amrani  13.12.2024

Talmudisches

Licht

Was unsere Weisen über Sonne, Mond und die Tora lehren

von Chajm Guski  13.12.2024

Hildesheimer Vortrag

Das Beste im Menschen sehen

Der Direktor der Yeshiva University, Rabbiner Ari Berman, zeigt einen Ausweg aus dem Frontendenken unserer Zeit

von Mascha Malburg  13.12.2024

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024