Sprachgeschichte(n)

Gott oder G’tt

Apostroph oder kein Apostroph? Hier scheiden sich die Geister. Foto: JA

Wir kennen aus der mündlichen Alltagskommunikation im Deutschen etliche religiöse oder sakrale Bezeichnungen, für die, um einen blasphemischen Gebrauch auszuschließen, modifizierte Wortbildungen oder Ersatzausdrücke gewählt werden.

Das Ausgangslexem wird dabei in unterschiedlichem Maße verhüllt. Doch bereits aus der Hebräischen Bibel ist diese Praxis bekannt: Als wichtigster Gottesname im rabbinischen Judentum gilt »JHWE«, der nach seinem vierbuchstabigen Konsonantenbestand (Jod-He-Waw-He) »Tetragramm(aton)« genannt wird. Das Aussprechen des Namens (vermutlich als »Jahwe«) blieb schon zur Zeit des zweiten Jerusalemer Tempels auf wenige kultische Handlungen beschränkt, weshalb sich eingedenk der Mahnung im 2. Buch Mose 20,7 früh die Ansicht von seiner Heiligkeit durchsetzte.

Es waren die Masoreten, mittelalterliche Gruppen jüdischer Kopisten hebräischer Bibeltexte, die das Tetragramm mit unpassenden Vokalzeichen versahen, um anzuzeigen, dass etwas vom Geschriebenen Abweichendes ausgesprochen werden sollte.

Ersatz Am häufigsten setzten sie die Vokale oder Vokalzeichen der im Pluralis Majestatis gefassten Anrede »Adonaj« (für »HERR«) ein, was später zum Missverständnis führte, der Gottesname werde »Jehovah« ausgesprochen. Da man »Adonaj« auch als »der Name« verstand, bürgerten sich weitere Ersatzlesungen oder Aussprachen ein. Orthodoxe Juden verwenden »Adonaj« nur im Gebet. In profaner Rede oder bei der Lektüre werden zumeist »ha-Schem« (»der Na-me«) oder das kontrahierte »Adoschem« benutzt. Die wichtigste neu geschaffene Ersatzbenennung im rabbinischen Schrifttum ist »Ha-Kadósch, ba-rúch hú!« (»Der Heilige, gepriesen sei er!«), in Handschriften meist als »Hak.B.H.« abgekürzt.

Außerhalb des hebräischen Sprachraums ist die zunehmend geübte Praxis zu beobachten, in Büchern und Beiträgen für Periodika den Gottesnamen graphemisch zu modifizieren. Im Englischen steht »G-d« für »God«, im Portugiesischen »D-us« für »Deus«. Manchmal gibt es zwei Varianten: im Spanischen »D’s« oder »D-ios« für »Di-os«; im Niederländischen »G’d« oder »G-d« für »God«. Das Französische kennt vier Gestaltungen für »Dieu«, nämlich: »D.ieu«, »D-ieu«, »D’ieu« oder »D.eu«. Im Deutschen lesen wir meistens »G’tt«, zuweilen auch »G»tt«, »G-tt«, »G!tt« oder »G+tt«.

Solche »vermeidenden Schreibweisen« entspringen dem Bemühen, den Namen Gottes nicht in eine Form zu bringen, in der er beschmutzt oder zerstört werden kann (5. Buch Mose 12, 3-4; Talmud Sanhedrin 56a). Um dem dritten Gebot der Tora zu genügen, werden ausgediente religiöse Texte, in denen der Name Gottes vorkommt, nicht fortgeworfen, sondern in einer Genisa aufbewahrt.

Gebot Die Heiligkeit des Wortes »Gott« ist indessen umstritten, weil es sich dabei jüdischer Theologie zufolge nicht um einen Eigennamen, sondern um einen Gattungsnamen handelt. Nach allgemeiner rabbinischer Meinung ist daher das Wort »Gott« in jeder anderen Sprache außer dem Hebräischen als nicht heilig zu betrachten. Deshalb gilt es nicht als Gebot, die Form »G’tt« zu verwenden (die phonetisch wie »Gott« artikuliert wird, sofern man sie beim Vorlesen nicht wie »JHWH« als »Adonaj« oder »ha-Schem« wiedergibt).

Rabbi Alfred J. Kolatch (Jüdische Welt verstehen, 2011) hält diese Schreibung »für nichts weiter als eine vorübergehende Mode«. Gleichwohl wird sie aus religiösem Respekt von vielen Juden als Minhag (Brauch) auch bei profanen Texten, die man nicht in einer Genisa ablegt, übernommen.

So auch von Paul Chaim Eisenberg, der humorvoll zu bedenken gibt, dass selbst gute Bücher wie seine Erlebnisse eines Rabbiners (2006) weggeworfen werden könnten: »Der Name G’ttes würde entehrt werden, wenn er auf dem Müll landet.« Um dem Problem auszuweichen, so der Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, verwende er manchmal auch das Wort »der Ewige«.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Balak

Stärke in Zeiten der Entscheidung

Wie eine uralte Prophezeiung Israels Wesen prägt

von Yonatan Amrani  11.07.2025

17. Tamus

Das ist erst der Anfang

Nun beginnt die jährliche Trauerzeit. Sie soll auf Größeres vorbereiten

von Rabbiner Raphael Evers  11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Talmudisches

Eifersucht: Das bittere Wasser

Unsere Weisen und ein altes Ritual

von Chajm Guski  10.07.2025

Nahost

»Öl ins Feuer des anwachsenden Antisemitismus«

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt wirft der evangelischen Kirche moralisches Versagen vor und kritisiert eine Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »dämonisiert« werde

 05.07.2025

Chukat

Ein Tier, das Reinheit schafft

Wir können die Mizwa der Roten Kuh nicht verstehen – aber ihre Bedeutung erahnen

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  04.07.2025

Talmudisches

Die weibliche Idee hinter König David

Was Kabbalisten über Eschet Chajil, die tüchtige Frau, lehren

von Vyacheslav Dobrovych  04.07.2025