Norwegen

Gleiches Recht für alle Religionen

Norwegischer Kalender Foto: Getty Images/iStockphoto

Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn in Norwegen statt der staatlich vorgegebenen Feiertage alle selbst entscheiden könnten, welche »Frei-Tage« für sie gelten sollen? Aufgebracht hat diese Idee Ane Breivik, Vorsitzende der »Unge Venstre«, der Jugendorganisation der liberalen Partei Venstre. »Wir haben keine Staatskirche mehr«, argumentierte die 22-Jährige.

Seit 2012 ist per Verfassungsänderung das Luthertum nicht mehr Staatsreligion und die Norske Kirke nicht länger Staatskirche. Pfarrer und Bischöfe verloren dementsprechend ihren Beamtenstatus, und der König amtiert nicht länger als Oberhaupt der Kirche. Gleichwohl haben von zwölf offiziellen Feiertagen lediglich zwei keinerlei Bezug zum Christentum, nämlich der 1. Mai und der »Grunnlovsdag« am 17. Mai, an dem mit folkloristisch geprägten Festumzügen des Inkrafttretens der Verfassung im Jahr 1814 gedacht wird.

Bedürfnisse Erzwungenermaßen an Weihnachten und Ostern freizuhaben, entspreche nicht den Bedürfnissen einer modernen und diversen Gesellschaft, argumentieren die Feiertagsgegner.

Das Land hat sich seit Inkrafttreten der Verfassung in der Tat umfassend gewandelt. Im zweiten Paragrafen des Grunnlovens war zunächst ein Einwanderungsverbot für »Juden, Jesuiten und Mönche« verankert worden. 1851 wurde die gesetzliche Zuzugssperre für Juden aufgrund der Pogrome in Osteuropa jedoch wieder aufgehoben, Mönche durften sich dagegen erst ab 1897 in Norwegen niederlassen, und Jesuiten ist der Zuzug erst seit 1965 erlaubt.

Das Land hat sich seit Inkrafttreten der Verfassung umfassend gewandelt.

Religiöse und nicht religiöse Menschen sollen nun selbst entscheiden, wann sie freihaben, findet Breivik. Und vor allem sollen sie nicht länger an beispielsweise auf Samstag oder Sonntag fallenden Feiertagen freihaben müssen, an denen sie ohnehin nicht arbeiten würden. Das hätte auch den Vorteil, dass Restaurants oder Kulturbetriebe zum Beispiel an Weihnachten nicht zwangsweise schließen müssten.

glaubensgemeinschaften Unterstützung erhielten die Jungliberalen vom »Samarbeidsrådet for tros- og livssynssamfunn« (SLT), der Dachorganisation der in Norwegen ansässigen Glaubensgemeinschaften. Der SLT regte an, fünf Feiertage durch individuelle Frei-Tage zu ersetzen.

Ervin Kohn, Vorsitzender der jüdischen Dachorganisation Mosaiske Trossamfund, äußerte sich allerdings skeptisch: Es sei, schrieb er in einem Artikel für die Zeitung »Utrop«, gesellschaftlich »wichtig, gemeinsame freie Tage zu haben«. In Schulen würde das kontinuierliche Arbeiten immens schwierig, wenn sowohl Lehrer als auch Schüler nach Gutdünken freihaben könnten. Seit der Abschaffung des Samstagsunterrichts im Jahr 1973 sei der Unterrichtsbesuch für jüdische Schüler immerhin einfacher geworden, so Kohn.

Gleichwohl sei die Sache mit den Feiertagen für Juden in Norwegen immer noch problematisch, beschreibt Kohn die Situation. Denn rund die Hälfte der 13 jüdischen Feiertage fällt nicht auf das arbeitsfreie Wochenende. Bleiben sechs oder sieben an Arbeitstagen – das im April 2020 in Kraft getretene neue norwegische Religionsgesetz erlaubt allerdings nur an zwei Tagen, aus religiösen Gründen freizunehmen.

rosch haschana Wer beispielsweise an Rosch Haschana freihabe, dem könne der Arbeitgeber verbieten, zehn Tage später an Jom Kippur ebenfalls freizubekommen – und dies verstoße gegen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit. Ob das Religionsgesetz in dieser Form Bestand hat, müssten Gerichte entscheiden, findet Kohn. Und Politiker. Denn es gebe durchaus Möglichkeiten, Juden und Muslimen gerecht zu werden, ohne die norwegischen Feiertagsregelungen aufzugeben.

Ein gutes Beispiel sei Österreich, wo gesetzlich geregelt werde, dass Juden das Recht haben, an den 13 jüdischen Feiertagen nicht zu arbeiten oder in die Schule zu gehen. Allerdings müsse »die Zugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinschaft« nachgewiesen werden.

In Norwegen müsse nur die Anzahl der frei verfügbaren Frei-Tage von zwei auf sechs erhöht werden, sagt Kohn. »Es geht nicht darum, dass Juden mehr freihaben sollen als andere, sondern um das Recht, freie Tage zu haben, damit man nicht gegen die jüdischen Feiertagsregeln verstößt.«

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