Bechukotaj

Für immer verbunden

Der Prophet Jeschajahu vergleicht Gottes Bund mit Israel mit einer Ehe. Foto: Getty Images / istock

Dem Abschnitt Bechukotaj meint man – nach mancher christlichen Lesart – entnehmen zu können, dass Gott sich vom jüdischen Volk losgesagt habe.

Diese Interpretation geht von der Ersetzung (Substitution) des jüdischen Volkes durch die Kirche aus. Sie hat unter anderem zur Folge, dass Gottes Bund mit seinem Volk als »alter Bund« bezeichnet wird, der vergangen, ja von Gott selbst außer Kraft gesetzt und aufgelöst sei.

613 Ge- und Verbote Angeblich habe Er sich davon distanziert, dass man Ihm weiterhin auf dem jüdischen Weg durch den Gehorsam gegenüber den 613 Ge- und Verboten dienen könne.

Maßgeblich sei nur noch der »neue Weg« in der Nachfolge Jesu Christi, wie er im sogenannten Neuen Testament zur Sprache kommt. In der Heilsgeschichte Gottes spielten die Juden als Nachkommen Awrahams keine Rolle mehr. Das neue auserwählte Volk seien nun – ausschließlich – die Christen.

Im Abschnitt Bechukotaj lesen wir nichts davon, dass Gott seinen einmal geschlossenen Bund mit Israel je durch einen anderen ersetzen wird.

Aus dieser christlichen Doktrin resultieren unzählige Verfolgungen und grausame Pogrome gegen Juden durch die Jahrhunderte. Und auch, wenn sich die Schoa letztlich nicht erklären lässt, ist doch zu erkennen, dass sie unter anderem im christlichen Antijudaismus eine ihrer Wurzeln hat.

vorfahren Im Abschnitt Bechukotaj lesen wir nichts davon, dass Gott seinen einmal geschlossenen Bund mit Israel je durch einen anderen ersetzen wird. Vielmehr heißt es: »Und Ich will ihnen zugut an meinen Bund mit den Vorfahren gedenken, die ich aus Ägyptenland führte vor den Augen der Völker, auf dass Ich ihr Gott wäre, Ich, der Ewige. Dies sind die Satzungen und Rechte und Gesetze, die der Ewige zwischen sich und den Israeliten aufgerichtet hat auf dem Berg Sinai durch die Hand des Mosche« (3. Buch Mose 26, 45–46).

Und dann wird eine deutliche Sprache gesprochen: Befolgt das Volk Gottes Gebote, wird es gesegnet. Wandelt es aber nicht auf seinen Wegen, drohen ihm schwere Strafen.

Der Bund Gottes kann zwar durchaus vonseiten des Volkes verletzt werden, aber dessen Ungehorsam wird Gott niemals dazu bewegen, ihn aufzukündigen. Er bleibt Seinem Versprechen, das er den Erzvätern einst gegeben hat, für alle Ewigkeit treu. Gott macht sich in seiner Verlässlichkeit nicht vom Verhalten der Menschen abhängig.

Exil Der Amoräer Schmuel gibt im Talmud (Sanhedrin 108a) eine Diskussion zwischen den Juden im babylonischen Exil und einer Aussage Jeschajahus wider: »So spricht der Ewige: Wo ist der Scheidebrief eurer Mutter, mit dem Ich sie entlassen hätte? Oder wer ist Mein Gläubiger, dem Ich euch verkauft hätte? Siehe, ihr seid um eurer Sünden willen verkauft, und eure Mutter ist um eurer Abtrünnigkeit willen entlassen« (50,1).

Der Philosoph Baruch Spinoza (1632–1677) bemerkt dazu: »Die Ausweisung in die Diaspora bringt das Bundesverhältnis zwischen Gott und Israel erheblich ins Wanken, ähnlich einer Scheidung von Mann und Frau, die deren Verhältnis als Paar aufhebt, oder wie ein Herr, der seinen Sklaven verkauft, infolgedessen der Sklave gegenüber seinem Herrn keine Verpflichtungen mehr hat. Gott handelt so oder so als der Herr des Volkes Israel. Er war es, der es einerseits aus dem Frondienst Ägyptens befreite und andererseits später – aufgrund seines Ungehorsams – unter die Herrschaft des babylonischen Königs gab.«

Mosche, Aharon und Mirjam – Nachkommen aus dem Stamm Levi – werden von Gott zu den spirituellen Führern Israels berufen.

Die Botschaft des Jeschajahu lautet also: Die Exilierung Israels, seine Entlassung aus der Ehe mit Ihm, wurde von Gott wohl vollzogen, aber ohne Papiere, ohne den Scheidebrief, durch den die Aufhebung des (Ehe-)Bundes mit Gott erst rechtskräftig würde.

Gott straft, aber Er sagt sich nie und nimmer von Seinem Volk los, wie uns auch der Prophet Jirmejahu bestätigt: »Denn Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken. So spricht der Ewige, der die Sonne dem Tag zum Licht gibt und den Mond und die Sterne der Nacht zum Licht bestellt; der das Meer bewegt, dass seine Wellen brausen … Wenn jemals diese Ordnungen vor Mir ins Wanken kämen, … so müssten auch die Nachkommen Israels aufhören, ein Volk zu sein vor Mir ewiglich« (31, 34–36).

Sintflut Dem gegenüber ist die göttliche Praxis des Austauschs innerhalb des jüdischen Volkes das zentrale Thema der Tora. Die Ouvertüre zu diesem Thema hören wir in der Sintflutgeschichte. Noahs Geschlecht existiert anstelle des untergegangenen sündigen Menschengeschlechts unter Gottes Verheißung weiter: »Und Gott sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie Ich getan habe« (1. Buch Mose 8,21).

Später geht der Bund Gottes, den Er mit Awraham geschlossen hat, nicht auf dessen erstgeborenen Sohn Jischmael über, sondern auf Jizchak. Dessen Erstgeborener, Esaw, zieht ebenfalls den Kürzeren, und sein Bruder Jakow wird zum Träger der Verheißung.

Auch Mosche, Aharon und Mirjam – Nachkommen aus dem Stamm Levi – werden von Gott zu den spirituellen Führern Israels berufen, obwohl ihr Stammvater vom Erzvater Jakow nicht gesegnet wurde.

So bleibt am Ende festzuhalten: Wenn der Ewige sich auch nicht immer an die natürliche Folge der Verheißungsträger innerhalb des Volkes hält, so lässt doch der Tanach keinen Zweifel daran aufkommen, dass Gott sich niemals von Seinem Volk lossagen würde.

Diaspora Selbst wenn die Kinder Israels in der Diaspora unter Seiner Strafe leiden, und wenn sie auch nicht immer Seine Treue durch ihre Treue beantwortet haben, so bleiben sie doch Seine Kinder.

So wie Gott einer ist, bleibt es bei dem einen Volk Israel. Der Bund mit Awraham und die Übergabe der Tora an das Volk gelten nach wie vor als das stabile, unerschütterliche und unzerstörbare Fundament der Geschichte Israels mit seinem Gott.

Es handelt sich keineswegs um einen alten, veralteten Bund, der durch einen neuen abgelöst oder aufgekündigt wäre. An dieser Sicht der Dinge entzündet sich der Streit zwischen Judentum und Christentum. Hier tut sich ein Riss zwischen beiden auf, der den Juden im Laufe ihrer Geschichte Ozeane von Tränen bescherte.

Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

inhalt
Mit diesem Wochenabschnitt – auf Deutsch heißt er »In meinen Satzungen« – endet Wajikra, das dritte Buch der Tora. Im Mittelpunkt steht die Verheißung des Segens für diejenigen, die den Geboten folgen: Rechtschaffenheit wird belohnt. Diesem Segen steht ein Fluch für diejenigen gegenüber, die die Gebote nicht halten. Im letzten Teil der Parascha geht es um Gaben für das Heiligtum. Sie können mit einem Gelübde verbunden sein (»Wenn der Ewige dies und jenes für mich tut, werde ich ihm das und das geben«) oder aus Dankbarkeit geleistet werden.
3. Buch Mose 26,3 – 27,34

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