Religion

»Es ist ihr gutes Recht«

Volker Beck Foto: Marco Limberg

Herr Beck, das Tikvah Institut veranstaltet am Sonntag eine Tagung über den Respekt für die Arbeitsruhe an jüdischen Feiertagen. Warum ist das ein drängendes Thema?
Das Verfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass Religionsfreiheit bedeutet, dass man sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens ausrichten kann. Für Juden wird das in den 16 Feiertagsgesetzen der Länder de facto aber nicht explizit garantiert. Daher werden Juden im Alltag auf der Arbeit oder an der Universität zu Bittstellern und Querulanten gemacht, wenn sie das, was ihr gutes Recht ist, in Anspruch nehmen.

Wo liegt das Problem in den Ländergesetzen?
Die Feiertagsgesetze folgen einem christlichen Feiertagsverständnis. Zwar sind die hohen jüdischen Feiertage in manchen Feiertagsgesetzen teilweise erwähnt, gewährleistet wird aber, wenn überhaupt, nur der Besuch des Gottesdienstes. Das jüdische Religionsgesetz gebietet jedoch am Schabbat und an den Hohen Feiertagen Arbeitsruhe. Das umfasst nach der Tradition auch das Schreiben, also somit auch das Ablegen von Prüfungen. Teilweise findet sich das für Juden geltende Recht auch nicht in den Ländergesetzen, sondern versteckt nur in den Staatsverträgen zwischen Ländern und jüdischen Gemeinden. Wenn man wissen will, was eigentlich gilt, muss man ganz schön viel herumsuchen. Gute Gesetzgebung sieht anders aus.

Was bedeutet das konkret für religiöse Juden?
In der Praxis muss sich jeder immer mühsam selbst sein Recht erkämpfen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Betroffene sich durch diese Situation häufig abgelehnt fühlen. Sie resignieren dann nicht selten und müssen sich unter Umständen einen neuen Job suchen oder ein Semester länger studieren. Das kann es nicht sein. Man kann nicht voller Stolz »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« feiern und dann, wenn jüdisches Leben alltäglich wird, solche Hürden schaffen.

Wer wäre in der Verantwortung, hieran etwas zu ändern?
Das sind vor allem die 16 Landtage und damit eigentlich alle demokratischen Parteien gleichermaßen. Niemand hat in dieser Sache seine Hausaufgaben vollständig gemacht. Dabei wäre es nicht kompliziert, das umzusetzen.

Inwiefern?
Man müsste lediglich rechtlich festlegen, dass Juden an Schabbat und den Hohen Feiertagen einen Anspruch auf Arbeitsruhe haben. Das wäre schon allein deshalb wichtig, weil es die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in Deutschland unterstreichen würde. Unsere Gesellschaft ist stolz auf ihre Vielfalt. Beim Respekt vor jüdischer Religionspraxis muss sie das aber erst noch einlösen.

Mit dem Geschäftsführer des Tikvah Instituts sprach Joshua Schultheis.

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025

Talmudisches

Audienz beim König aller Könige

Was unsere Weisen über das Gebet und seine Bedeutung lehren

von Rabbiner Avraham Radbil  31.10.2025

Geschichte

Wer war Kyros der Große?

Manche behaupten, Donald Trump sei wie der persische Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Was hinter dem Vergleich steckt

von Rabbiner Raphael Evers  30.10.2025

Interview

»Süßes gibt’s auch in der Synagoge«

Jugendrabbiner Samuel Kantorovych über Halloween, dunkle Mächte und Hexen im Talmud

von Mascha Malburg  30.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025