Geschichte

Eine jüdische Pionierin

Regina Jonas (1902–1944) Foto: Centrum Judaicum

Sie ist für viele Juden ein Vorbild: Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt. Die gebürtige Berlinerin wirkte noch während der Nazi-Zeit in der Stadt – bevor sie vor 75 Jahren, am 12. Oktober 1944, im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Jonas wurde nur 42 Jahre alt. Wie bei Pionierinnen und Pionieren üblich, verlief ihr Weg zur Ordination keineswegs glatt und einfach. Dass sie sich zu einem Wirken als Rabbinerin hingezogen fühlte, spürte sie unterschiedlichen Quellen zufolge wohl schon recht früh.

Jonas wurde 1902 in Berlin geboren. Sie wuchs auf im jüdischen Scheunenviertel, einem Quartier, das damals von bescheidenem Leben bis hin zu Armut geprägt war. Nach ihrem Abitur belegte Jonas ein Lehrerseminar, um jüdische Religion an Mädchenschulen unterrichten zu dürfen. 1924 schrieb sie sich an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums ein – mit dem Ziel, Rabbinerin zu werden.

hochschule Die von Abraham Geiger gegründete Hochschule war die erste akademische Einrichtung des liberalen Judentums weltweit. Sie bestand bis 1942, als die Nationalsozialisten sie schlossen. Dort war Jonas zwar nicht die einzige Studentin – aber die einzige Frau, die als Rabbinerin ordiniert werden wollte, wie Rabbinerin Elisa Klapheck auf dem Portal Jewish Women’s Archive schreibt. Alle anderen Studentinnen hätten einen akademischen Grad als Lehrerinnen angestrebt.

Regina Jonas wollte ein weibliches Rabbinat als eine Kontinuität von Tradition verstanden wissen.

Nach den Worten Klaphecks wollte Jonas ein weibliches Rabbinat als eine Kontinuität von Tradition verstanden wissen. Jonas sei mit ihren Positionen unabhängig sowohl von der Orthodoxie als auch vom Reformjudentum gewesen: Die Orthodoxie habe Gleichberechtigung für unvereinbar mit der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, gehalten. Die Reformer wiederum hätten sich selbst als einzige Befürworter weiblicher emanzipatorischer Interessen gesehen.

Jonas sei zu dem Schluss gekommen, dass fast nichts Halachisches, sondern Vorurteile und fehlende Kenntnisse gegen weibliche Rabbiner stünden – und dass Frauen mit ihren Qualitäten wie Mitgefühl und anderen sozialen Fähigkeiten besonders als Rabbinerinnen geeignet seien, so Klapheck.

ordination Elf Jahre nach ihrer Immatrikulation an der Hochschule und der zähen Überwindung von Widerständen war es endlich so weit: Rabbiner Max Dienemann vom Liberalen Rabbinerverband willigte 1935 in die Ordination von Jonas ein. Sie arbeitete fortan in Berlin in der Seelsorge und kümmerte sich um Kranke. Und: Als im Verlauf der 30er-Jahre die Nationalsozialisten immer mehr Rabbiner inhaftierten oder zur Immigration zwangen, predigte Jonas zunehmend in liberaleren Synagogen der Stadt – und darüber hinaus.

1942 wurde Jonas mit ihrer Mutter nach Theresienstadt deportiert. Auch dort, mitten in Not und Leid, wirkte sie rabbinisch. Am 12. Oktober 1944 wurden beide Frauen nach Auschwitz transportiert – und wohl kurz nach ihrer Ankunft dort ermordet.

Lange Jahre war Jonas vergessen. Mittlerweile gibt es einen Film und zahlreiche Publikationen über sie.

Lange Jahre war Jonas vergessen. Es war die Theologin Katharina von Kellenbach, die sie ab den 90er-Jahren mithilfe von Dokumenten von Jonas wieder bekannt machte. Mittlerweile gibt es einen Film über Regina Jonas und zahlreiche Publikationen. Auch das neue Buch Gender and Religious Leadership: Women Rabbis, Pastors, and Ministers widmet ihr ein Kapitel.

vorbild Für Alina Treiger ist Jonas ein Vorbild. Sie selbst steht in einer Nachfolgelinie zu Jonas: Im Jahr 2010 wurde Treiger als erste Frau in Deutschland nach der Schoa zur Rabbinerin ordiniert. Sie leitet die jüdischen Gemeinden in Oldenburg und Delmenhorst. »Regina Jonas und andere Rabbinerinnen haben für mich den Weg geebnet«, sagt die Absolventin des Abraham Geiger Kollegs der Katholischen Nachrichten- Agentur (KNA). »Sie war eine unglaublich starke Persönlichkeit.«

Sie habe großen Respekt davor, dass Jonas geradlinig diesen schwierigen Weg gegangen sei. »Der Beruf braucht Rückgrat, Geduld, Ausdauer, Kraft und hat viele Herausforderungen«, erklärt Treiger. Sie betont, dass es nicht nur bei den liberalen Juden, sondern auch bei Orthodoxen Rabbinerinnen gebe. Die meisten weiblichen Rabbiner lebten in den USA. Immer wieder ist von etwa 1000 Rabbinerinnen weltweit die Rede – mehr als 80 Jahre, nachdem sich Regina Jonas dieses Amt erkämpft hat.

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