Talmudisches

Ein Haus voller Kinder

Foto: frimages

Unsere Weisen haben uns eine wunderschöne Geschichte von einem Ehepaar aus der Stadt Sidon überliefert. In den turbulenten und schwierigen Jahren, nachdem die Römer den Tempel in Jerusalem zerstört hatten, wurde dort ein sehr frommes Ehepaar lange Zeit nicht mit Kindern gesegnet (Midrasch Rabba, Schir Haschirim 1).

Die beiden liebten und ehrten einander sehr und versuchten weiterhin, Helligkeit in ihr Leben zu bringen und an sich zu arbeiten, um eines Tages doch noch dieses wunderbare Geschenk zu erleben, eigene Kinder zu bekommen. Mit der Zeit jedoch erwies sich die erdrückende Leere ihres Zuhauses und das fehlende Lachen und Spielen von Kindern als unerträglich für beide.

scheidung Nach zehn Jahren des vergeblichen Wartens kamen sie vor niemand Geringeren als den großen Weisen Rabbi Schimon bar Jochai und baten ihn weinend und verzweifelt um ihre Scheidung. Als der Rabbi ihre tragische Geschichte hörte, antwortete er nachdenklich: »So wie eure Vereinigung mit einer großen Feier mit viel Essen und Trinken begann, so soll auch euer Abschied auf ähnliche Weise gefeiert werden.«

Mit gemischten Gefühlen bereitete das fromme Paar pflichtbewusst ein großes Festmahl für den letzten Tag seiner Ehe vor. Beim Essen schenkte die weise Frau ihrem Mann immer mehr und mehr von einem guten und teuren Wein ein. Der bedrückte Ehemann nahm das Getränk dankend an, um seinen Kummer im Wein zu ertränken.

Mit gemischten Gefühlen bereitete das fromme Paar pflichtbewusst ein großes Festmahl für den letzten Tag seiner Ehe vor.

Als sich seine Stimmung allmählich besserte, sagte er zu seiner Frau: »Meine liebste (Noch-)Ehefrau, sieh dich in unserem wunderschönen Haus um. Gibt es hier irgendetwas Wertvolles, das dir am liebsten ist und das du gern mitnehmen würdest? Bitte such dir ein Andenken an unser liebevolles und friedliches Zusammenleben aus und nimm es mit ins Haus deines Vaters, wo du ab morgen wieder leben wirst.«

schlaf Die Frau wartete ab, bis ihr stark alkoholisierter Mann in tiefen Schlaf verfiel. »Schnell«, sagte sie zu ihren Bediensteten, »ladet ihn auf ein Bett und tragt ihn zum Haus meines Vaters!« Um Mitternacht, als der Alkohol allmählich verflogen war, erwachte der Ehemann aus seiner Benommenheit. »Hallo? Wo bin ich?«, rief er erschrocken in die Dunkelheit.

»Du bist im Haus meines Vaters, mein Liebster«, antwortete die Frau.
»Was mache ich hier?!« »Habe ich nicht genau das getan, was du mir gesagt hast?«, erwiderte die schlaue Ehefrau. »Du hast mich angewiesen, das Beste aus deinem Haus mit mir zu nehmen nach Hause zu meinen Eltern, und nichts auf der Welt ist mir lieber und wichtiger als du, mein treuer Ehemann.«

Als das Paar erkannte, dass sie beide, egal, was es koste, zusammenbleiben wollen, suchten sie erneut Rabbi Schimon bar Jochai auf, der mit viel Inbrunst für sie betete. Und schon bald wurden sie im Laufe einiger Jahre mit mehreren gesunden Kindern gesegnet.

LEKTION Ans Ende der Geschichte haben unsere Weisen eine lehrreiche Lektion gestellt: In dieser Geschichte sagte ein Sterblicher aus Fleisch und Blut zu einem anderen Sterblichen: »Ich will nichts auf der Welt mehr als dich«, und G’tt brachte ihnen die lang ersehnte Erlösung als Ergebnis. Wie viel mehr gilt dies für das Volk Israel, das jeden Tag auf G’ttes Erlösung wartet und sagt: »Wir begehren nichts auf der Welt mehr als Dich, oh Allmächtiger.«

Möge der Tag der Wiedervereinigung mit unserem himmlischen Ehemann schon sehr bald kommen. Denn wir haben schon sehr lange darauf gewartet.

Wajikra

Zeichen der Zuwendung

So wie sich die Engel gegenseitig rufen, wird Mosche vom Ewigen gerufen

von Rabbinerin Gesa Ederberg  24.03.2023

Talmudisches

Urteile, die zum Himmel schreien

Was unsere Weisen über die Gerichtsbarkeit in der Stadt Sodom lehrten

von Yizhak Ahren  24.03.2023

Interview

»Unser Einfluss wird größer«

Ilana Epstein über die Rolle der Rebbetzin, Veränderungen und ein Treffen in Wien

von Imanuel Marcus  23.03.2023

Debatte

Für die Freiheit des Glaubens

Moskaus früherer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt sprach in Berlin über die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine für das jüdische Leben in Europa

von Gernot Wolfram  23.03.2023

Konferenz

Rat für Ratgeberinnen

Rebbetzins aus ganz Europa tauschten sich in Wien über ihre Herausforderungen im Alltag aus

von Stefan Schocher  23.03.2023

Technologie

Beten mit Handy

Warum spezielle Apps viel mehr sein können als Siddurim auf dem Smartphone

von Chajm Guski  21.03.2023

Kleidung

Wann ist ein Jude religiös?

Äußerlichkeiten können in die Irre führen – auch die Befolgung der zwischenmenschlichen Gesetze ist von zentraler Bedeutung

von Daniel Neumann  17.03.2023

Talmudisches

Korpulente Rabbiner

Was unsere Weisen über Leibesfülle und körperliche Gesundheit lehrten

von Vyacheslav Dobrovych  17.03.2023

Wajakhel–Pekude

Herausforderungen angehen

Die Tora lehrt: Der Mensch muss den ersten Schritt tun, dann wird G’tt ihm helfen

von Shlomo Rottman  17.03.2023