Erstmals seit rund 100 Jahren hat Deutschland wieder einen jüdischen Militärseelsorger. Sachsens Landesrabbiner Zsolt Balla wurde heute in der Leipziger Synagoge feierlich in das Amt des ersten Militärbundesrabbiners eingeführt.
An der Zeremonie nahmen unter anderem auch Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, teil. Auch Israels Botschafter Jeremy Issacharoff, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) sowie Zentralratsvizepräsident Abraham Lehrer und Geschäftsführer Daniel Botmann wohnten der Amtseinführung bei. Auch Nora Goldenbogen, Vorsitzende des sächsischen Landesverbands jüdischer Gemeinden, und Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung nahmen teil.
Josef Schuster sprach von einem »Tag, der Grund zur Freude und zur Dankbarkeit bietet«. Die Einführung eines Militärbundesrabbiners »schien über Jahrzehnte undenkbar und ist auch jetzt alles andere als selbstverständlich«, sagte der Zentralratspräsident.
»Es ist tatsächlich ein Dienst, den die Rabbiner in der Bundeswehr leisten wollen«, sagte Schuster über die jüdische Militärseelsorge. »Sie werden den Soldatinnen und Soldaten und ihren Angehörigen zur Verfügung stehen als Ansprechpartner, als Vertrauenspersonen. Bei ethischen Fragen, mit religiösen Anliegen, in persönlichen Kreisen können sich die Soldaten an die Rabbiner wenden«, so Schuster weiter.
Die jüdische Gemeinschaft wolle Verantwortung für die Demokratie übernehmen. Dazu gehöre auch eine Armee, die demokratische Werte lebe und »in der politischer Extremismus und Intoleranz keinen Platz haben«, erklärte er mit Blick auf zuletzt »viel zu viele beunruhigende Nachrichten aus der Bundeswehr«.
RECHTSRADIKALE »Daher gilt es nicht nur, Rechtsradikale aus der Bundeswehr zu verbannen, sondern alle anderen Soldaten zu stärken und in ihrer demokratischen Gesinnung zu festigen«, betonte Schuster. Letztmals vor der NS-Zeit hatte es demnach im Deutschen Kaiserreich während des Ersten Weltkriegs (1914-18) Feldrabbiner beim Militär gegeben. Fast 100.000 Juden kämpften damals auf deutscher Seite.
Kramp-Karrenbauer sprach von einem »ganz besonderen Tag«. Die Einrichtung der jüdischen Militärseelsorge sei »ein Zeichen von Vertrauen«, so die Bundesverteidigungsministerin. Diese richte sich an alle Soldatinnen und Soldaten und schaffe »authentische Begegnungen mit dem Judentum«. Die Bundeswehr, die Soldatinnen und Soldaten und die Zivilisten freuen sich auf Sie«, sagte Kramp-Karrenbauer, an Zsolt Balla gewandt.
Weitere Ansprachen hielten der katholische Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck und der evangelische Militärbischof Dr. Bernhard Felmberg.
VIELFÄLTIG Rabbiner Andreas Nachama, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) gratulierte seinem orthodoxen Kollegen Balla zur Amtseinführung. »Hier ist es ein orthodoxer Rabbiner, der sich auch um die Belange der fünf progressiven Rabbinerinnen und Rabbiner sorgen wird«, sagte er. »Judentum ist immer vielfältig«, betonte Rabbiner Nachama. Für dieses Ganze stehe der Zentralrat, zu dem eben beide Rabbinerkonferenzen gehören.
»Die heutige Wiedereinführung eines Militärrabbiners in den deutschen Streitkräften ist ein großer und glücklicher Meilenstein für Deutschland und die Bundeswehr«, erklärte Rabbiner Avichai Apel für den Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD). »Uns ist es wichtig, dass Soldaten jeder Herkunft und aller Religionen Verständnis erhalten und gemeinsam gegen Rassismus und Antisemitismus sensibilisiert werden, um auch im Privatleben dagegen zu stehen«, sagte Rabbiner Apel in seiner Ansprache. Ein langer Weg beginne hier und jetzt.
Josef Schuster führte Rabbiner Balla mit Übergabe der Ernennungsurkunde in sein neues Amt ein. Als Geschenk überreichte der Zentralratspräsident ihm zudem einen Toramantel für die Reise-Tora des künftigen Militärrabbinats.
BIOGRAFIE Der 1979 in Ungarn geborene orthodoxe Rabbiner Balla soll ein neu zu schaffendes Militärrabbinat in Berlin leiten und die Arbeit von bis zu zehn jüdischen Geistlichen in der Bundeswehr koordinieren. Sie sollen Seelsorger für jüdische Soldatinnen und Soldaten sowie Ansprechpartner für die gesamte Armee sein.
In seiner Dankesrede sagte Zsolt Balla: »Ich spüre die Last der Geschichte auf meinen Schultern.« Der offizielle Beginn des Militärrabbinats in der deutschen Bundeswehr sei ein wichtiges Zeichen. Bei allen Herausforderungen empfinde er »eine ungeheure Dankbarkeit, in einem Land leben zu dürfen, das sich seiner Vergangenheit gestellt hat, sich aber auch entschlossen hat, nach vorne zu gehen, um aktiv eine bessere Welt zu gestalten«.
»Ich spüre die Last der Geschichte auf meinen Schultern.«
Zsolt Balla
»Wir haben eine Menge Arbeit vor uns«, fuhr der Militärbundesrabbiner fort. »Wir verpflichten uns, dass wir für alle Soldaten der Bundeswehr da sein werden. Möge der Ewige uns Kraft geben und uns helfen, dass alle unsere Handlungen mehr Frieden und Harmonie in unsere Welt und nach Deutschland bringen.«
In einem Radio-Interview hatte Balla zuvor gesagt, dass Antisemitismus oder Rechtsextremismus nie komplett verschwinden würden. »Ich denke, dass Antisemitismus und jede Art von Hass gegen Minderheiten eine Sache sind, die wir niemals für immer von unserer Gesellschaft eliminieren können«, hatte der 42-Jährige im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2) betont. Er hoffe, dass er durch sein neues Amt nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die deutsche Bevölkerung erreichen könne.
Nach dem Soldatengesetz hat jeder Soldat und jede Soldatin Anspruch auf Seelsorge und Religionsausübung.
»Das ist ein großartiges Zeichen in die Gesellschaft und in die Bundeswehr hinein, das jüdisches Leben wieder sichtbar macht«, sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl. Die Bundeswehr müsse demokratische Werte und Toleranz leben, dafür leiste die jüdische Militärseelsorge einen unverzichtbaren Beitrag.
HINTERGRUND Nach dem Soldatengesetz hat jeder Soldat und jede Soldatin Anspruch auf Seelsorge und Religionsausübung. Bisher gab es nur Angebote der evangelischen und die katholischen Kirche. Zu den Aufgaben gehören die Seelsorge im In- und Ausland sowie die Begleitung von Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen.
Schätzungen zufolge gibt es rund 300 Juden und Jüdinnen unter den rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Die Zahl der Christen wird auf rund 90.000 geschätzt, die der Muslime auf 3000.
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