Talmudisches

Die Speisen auf dem Sederteller

Foto: imago images/Shotshop

Wenn wir zu Pessach unsere Sederplatte auf den Tisch stellen, sind die Speisen darauf großenteils symbolisch zu verstehen: ein Ei, ein angerösteter Knochen, Meerrettich, ein wenig Charosset, Gemüse und ein Salatblatt, dazu ein bisschen Salzwasser. Im Laufe des Sederabends werden diese Dinge mithilfe der Haggada erläutert; der Sättigung dienen sie allerdings nicht.

Früher war das durchaus anders. Während der Tempelzeit wurde das Essen beim Pessachseder auf einer großen Platte serviert, mit Bitterkräutern, Gemüse, Mazza und Charosset, dazu dem Lammfleisch vom Pessachopfer und einer weiteren Fleischspeise, die vom Festopfer stammte.

Fleisch Die Mischna beschreibt die Festnacht, und hier heißt es, dass man dem Leiter des Seders zusammen mit den Mazzot, dem bitteren Lattich und dem Fruchtmus auch zwei gekochte Speisen brachte, anstelle des früheren Pessachlamms zur Tempelzeit (Pessachim 10).

Der Rambam, Maimonides (1138–1204), erklärt hierzu, dass man zwei verschiedene Arten Fleisch auf den Tisch bringt, zur Erinnerung an das Pessachopfer und an das Festopfer (Sefer Smanim, Hilchot chametz u-mazza).

Doch im Talmud (Pessachim 114b) ist davon nicht die Rede. Auf die Frage, welches denn die beiden gekochten Speisen sein könnten, antwortet Rav Huna: Mangold und Reis. Eifrig bemühte sich sein Schüler Raba daher um Mangold und Reis für seinen Pessachseder – schließlich hatte dies Rav Huna so erklärt, obwohl der es vermutlich nur als Beispiel angeführt hatte.

Ausgerechnet Reis? Hatte nicht Rav Jochanan ben Nuri gelehrt, dass Reis in jeder Hinsicht einer Getreideart entspreche und deshalb zu Pessach verboten sei?

Rav Aschi stellt dazu fest, man könne Rav Hunas Aussage entnehmen, dass man Rav Jochanans Auffassung in diesem Punkt nicht folgt. Somit bleibe der Reis erlaubt. Es müssen aber tatsächlich nicht unbedingt Reis und Mangold sein. Sogar ein Fisch, zusammen mit einem Ei zubereitet, erfülle die Forderung nach zwei gekochten Speisen, wie Rav Chiskija erläutert.

Allerdings beharrte Rav Josef doch darauf, dass es zwei Fleischgerichte sein müssen, schließlich erinnere man damit an die beiden Opfertiere zur Tempelzeit. Es war aber wohl auch zur damaligen Zeit so, dass Fleisch teuer war. Was sollten nun die ärmeren Leute tun? Wenn schon zweimal Fleisch, dann tue es auch Beinfleisch und die Brühe, in der man es gekocht habe, sagt Ravina.

Was auch immer man als zwei gekochte Speisen auswählte, so waren auch sie letztlich symbolisch zu verstehen. Einige Kommentatoren beziehen diese beiden Speisen nicht einmal auf das einstige Opfer zur Tempelzeit, sondern sehen sie als Symbol für Mosche und Aharon, und manche fügen sogar noch eine dritte Speise hinzu für Mirjam.

Das ist eine Symbolik, die sich einerseits auf die Vergangenheit mit dem historischen Pessach bezieht, andererseits auch in die Zukunft weisen soll: auf das Festmahl der Gerechten am Ende der Zeiten.

Armut Wir legen heute einen Knochen und ein Ei auf den Sederteller. Beides nimmt man herunter, wenn man vom Brot der Armut spricht, sodass dies wohl doch die Erinnerung an das fleischige Pessach- und Chagiga-Opfer nahelegt, zumal man das Ei oft sogar noch anröstet.

Doch ist ein Hühnerei als Symbol für ein Jungrind oder ein Schaf nicht ein wenig dürftig?

Eine weitere Erklärung besagt, das Ei solle als Zeichen der Trauer an den zerstörten Tempel erinnern und uns gleichzeitig zum Trost dienen, wie das sich drehende Lebensrad, das für den Gedanken steht, dass nach schlechten Zeiten auch wieder bessere kommen werden.

Auch ist das aramäische Wort für Ei, Bej’a, fast gleichlautend mit dem Wort für einen sehnlichen Wunsch: »Der Ewige möge (ba’a) uns doch mit ausgestrecktem Arm erlösen.« Damit wird das Ei auf unserer Sederplatte zum Symbol der Hoffnung auf den Beistand des Ewigen, le-dor-va-dor, von Generation zu Generation.

Chanukka

Das jüdische Licht

Die Tempelgeschichte verweist auf eine grundlegende Erkenntnis, ohne die unser Volk nicht überlebt hätte – ohne Wunder kein Judentum

von Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky  12.12.2025

Wajeschew

Ein weiter Weg

Das Leben Josefs verlief nicht geradlinig. Aber im Rückblick erkennt er den Plan des Ewigen

von Rabbinerin Yael Deusel  12.12.2025

Talmudisches

Nach der Sieben kommt die Acht

Was unsere Weisen über die Grenze zwischen Natur und Wunder lehren

von Vyacheslav Dobrovych  12.12.2025

Chanukka

Nach dem Wunder

Die Makkabäer befreiten zwar den Tempel, doch konnten sie ihre Herrschaft nicht dauerhaft bewahren. Aus ihren Fehlern können auch wir heute lernen

von Rabbiner Julian-Chaim Soussan  12.12.2025

Quellen

Es ist kompliziert

Chanukka wird im Talmud nur selten erwähnt. Warum klammerten die Weisen diese Geschichte aus?

von Rabbiner Avraham Radbil  11.12.2025

Religion

Israels Oberrabbiner erstmals auf Deutschlandbesuch

Kalman Ber startet seine Reise in Hamburg und informiert sich dort über jüdisches Leben. Ein Schwerpunkt: der geplante Neubau einer Synagoge

 10.12.2025

Thüringen

Jüdische Landesgemeinde und Erfurt feiern Chanukka

Die Zeremonie markiert den Auftakt der inzwischen 17. öffentlichen Chanukka-Begehung in der Thüringer Landeshauptstadt

 08.12.2025

Wajischlach

Zwischen Angst und Umarmung

Die Geschichte von Jakow und Esaw zeigt, wie zwei Brüder und zwei Welten wieder zueinanderfinden

von Rabbiner Joel Berger  05.12.2025

19. Kislew

Himmlischer Freispruch

Auch wenn Rosch Haschana schon lange vorbei ist, feiern Chassidim dieser Tage ihr »Neujahr«. Für das Datum ist ausgerechnet der russische Zar verantwortlich

von Chajm Guski  05.12.2025