Neulich beim Kiddusch

Der neue Teppich

Auch billiger Wein macht rote Flecke. Foto: Fotolia

Neulich beim Kiddusch

Der neue Teppich

Was einem in der Synagoge alles passieren kann

von Chajm Guski  20.07.2010 11:37 Uhr

»Badatz« war das Geräusch, das die Pappschachtel machte, als sie auf dem Boden unserer neuen Küche auftraf, nachdem ich meiner Frau die Botschaft überbracht hatte: Ich wollte unsere neue Wohnung gern einigen Verwandten und Bekannten zeigen. Deshalb hatte ich sie zu einem festlichen Kiddusch eingeladen. »Badatz« wäre auch das Geräusch gewesen, das der feuchte Schwamm an meinem Kopf gemacht hätte, den meine Frau nach mir warf – wenn ich mich nicht rechtzeitig geduckt hätte.

»Badatz« wird aber auch das Kaschrut-Zertifikat der Edah HaChareidis in Israel genannt. Von diesem Zertifikat sagt man, es stehe für den höchsten Standard. Meine Frau sagte, Onkel Yoram achte da besonders drauf. Und so erhöhten sich unsere Ausgaben für die Veranstaltung um mehrere hundert Prozent. Das bedeutet, wir mussten Plastikgeschirr kaufen, denn Onkel Yoram würde sich ansonsten nur ein Glas Wasser wünschen.

virtuelle kaschrut Gute und günstige Alternative, dachte ich. Verkniff mir aber, das laut zu sagen. Auch meine Frage, ob das schlimm sei, wenn die Lebensmittel mehr kosteten als die neue Küche? Als ich vom Einkaufen zurückkam, hatte ich sogar Eier mit einem Kaschrut-Zertifikat in der Tüte. Allerdings nur von der »Edah Virtualit«, einer fiktiven Zertifizierungsstelle, deren Stempel einem Zeichenprogramm auf meinem PC entsprang. Überflüssig zu erwähnen, dass Onkel Yoram diesen Stempel besonders beeindruckend fand.

Tante Keren hingegen achtete nicht besonders auf Kaschrut, bestand aber darauf, dass die Lebensmittel aus ökologisch einwandfreien Betrieben stammen. Also entweder vom Biometzger oder Biohof und dann Biotransport zum Bioladen. Da es offenbar keinen speziellen Bioschächter mit Biokaschrutzertifizierung »Öko-Badatz« gab, mussten wir improvisieren. Das Plastikgeschirr dagegen fand sie überaus praktisch für kleine Feiern. »Dann kann man später einfach alles wegwerfen und hat Ruhe.« Das beeindruckte sie.

Ihren Mann traf ich häufiger in der Innenstadt, wenn er sich nach der Arbeit in einen Imbiss schlich, um sich eine »vernünftige Zwischenmahlzeit« zu gönnen. Ob der schöne neue Teppich, der unter unserem großen Esstisch lag, denn auch ökologisch einwandfrei wäre, fragte Tante Maya. Noch bevor ich antworten konnte: »Klar, sonst werden doch die Kinder krank, die ihn knüpfen«, schob sie hinterher: »Den müsst ihr gut pflegen«.

»Badatz« war dann das Geräusch, das der Plastikkidduschbecher von Tante Maya machte, als er unseren nagelneuen Teppich traf und dessen Muster um einen roten Kreis aus billigem Kidduschwein ergänzte (irgendwo musste ich sparen). Unsymmetrisch blieb es nicht lange, denn Tante Maya feuerte wenig später einen weiteren Becher hinterher und eines der Kinder ergänzte etwas Traubensaft.

endlos Auch aus dem frühen Aufbruch, den wir uns erhofft hatten, wurde leider nichts. »Dann bleiben wir bis zur Hawdalah und fahren mit dem Taxi nach Hause«, schlug jemand vor. Ein Wunder, dass noch Wein übrig war für Hawdala. Meiner Meinung nach befand sich der Großteil unserer Vorräte inzwischen auf dem Teppich.

»Badatz« machte schließlich der blaue Müllsack mit dem Schabbesgeschirr in der Mülltonne. Mit ihm verschwand der Traum von einem ruhigen Kiddusch zu Hause. Übernächste Woche sind wir zu Tante Maya eingeladen. Ich werde den klebrigsten Kidduschwein mitbringen, den ich finden kann.

Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

Warum nach dem Talmud Frauen in der Laubhütte sitzen und Segen sprechen dürfen, es aber nicht müssen

von Yizhak Ahren  06.10.2025

Chol Hamo’ed Sukkot

Dankbarkeit ohne Illusionen

Wir wissen, dass nichts von Dauer ist. Genau darin liegt die Kraft, alles zu feiern

von Rabbiner Joel Berger  06.10.2025

Tradition

Geborgen unter den Sternen

Mit dem Bau einer Sukka machen wir uns als Juden sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Nachbarn erklären können, was uns die Laubhütte bedeutet

von Chajm Guski  06.10.2025

Sukkot

Fest des Vertrauens

Die Geschichte des Laubhüttenfestes zeigt, dass wir auf unserem ungewissen Weg Zuversicht brauchen

von Rabbinerin Yael Deusel  06.10.2025

Sarah Serebrinski

Sukkot: Freude trotz Verletzlichkeit

Viele Juden fragen sich: Ist es sicher, eine Sukka sichtbar im eigenen Vorgarten zu bauen? Doch genau darin – in der Unsicherheit – liegt die Botschaft von Sukkot

von Sarah Serebrinski  05.10.2025

7. Oktober

Ein Riss in der Schale

Wie Simchat Tora 2023 das Leben von Jüdinnen und Juden verändert hat

von Nicole Dreyfus  05.10.2025

Übergang

Alles zu jeder Zeit

Worauf es in den vier Tagen zwischen Jom Kippur und Sukkot ankommt

von Vyacheslav Dobrovych  03.10.2025

Kirche

EKD: Gaza-Krieg nicht zum Anlass für Ausgrenzung nehmen

Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs: »Offene und gewaltsame Formen des Antisemitismus, besonders in Gestalt israelbezogener Judenfeindschaft, treten deutlich zutage«

 03.10.2025

Ha’asinu

Mit innerer Harmonie

Nur wer sich selbst wertschätzt und seine Fähigkeiten kennt, kann wirklich wachsen

von Abraham Frenkel  03.10.2025